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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Dichter Properz bezeichnete Kleopatra als ›königliche Hure vom Inzest treibenden Kanapos‹, und nach langem Suchen entdeckte Gerswind in einem versteckten Band der Klosterbibliothek, daß sich auch Kaiser Caligula der Blutschande schuldig gemacht haben soll. »Mit seinen Schwestern«, erzählte sie Hruodhaid, den Plural betonend. »Mein Vater hatte ja nur eine«, gab Hruodhaid trocken zurück.
    Beide rechneten aus, daß Hruodhaid in der Zeit von Bertradas Tod gezeugt worden sein mußte.
    »Die Trauer tut den Menschen seltsame Dinge an«, sinnierte Gerswind.
    »Ein Kind, zum Beispiel«, entfuhr es Hruodhaid ungewollt schlagfertig. Gerswind starrte ihre Freundin verblüfft an und brach in schallendes Gelächter aus. Etwas unsicher stimmte Hruodhaid mit ein, und innerhalb kurzer Zeit lachten beide so heftig, daß sie sich die Seiten hielten und ihnen Tränen aus den Augen rannen.
    Als Hruodhaid wieder Atem holen konnte, sah sie ihre Freundin an und bemerkte: »Aber komisch ist das nicht.«
    »Überhaupt nicht«, versicherte Gerswind ernst, und schon prusteten sie wieder los.
    Danach schien der Angelegenheit die übelste Schärfe genommen worden zu sein. Wochen gingen ins Land, ohne daß die beiden Mädchen das Thema von Hruodhaids Abstammung wieder aufnahmen. Die Witwe Gislind, der zwei Tuchmachereien, nämlich die in Mürlenbach und die in Prüm, unterstanden, freute sich, daß ihr die beiden Mädchen des Königshofs Aufgaben in Prüm abnehmen konnten. Gerswind hatte zunächst Bedenken gehabt, Hruodhaid einzubinden, da sie so überaus ungeschickt im Anfertigen von Näharbeiten war. Doch zu ihrer Überraschung verfügte die Königstochter über ein hervorragendes Auge für die Qualität der angelieferten Rohstoffe. Gerswind spendete ihr großes Lob und ermutigte sie, mit den Hufebauern selbst zu verhandeln, was Hruodhaid zunächst weit von sich wies. Sie würde bestimmt ins Stottern geraten, wenn sie sich anderen Menschen gegenüber durchsetzen müßte! Gerswind blieb das Herz fast stehen, als Vater Assuerus freundlich zu Hruodhaid bemerkte: »Du wirst genauso klug verhandeln wie deine hochverehrte Großmutter. Das liegt dir im Blut.«
    Aber Hruodhaid verzog bei dieser Bemerkung keine Miene, sondern erwiderte: »Dann werde ich zusehen, dem Andenken meiner Großmutter keine Schande zu machen.«
    Gerade als Gerswind glaubte, die Freundin habe sich in ihr Los gefügt und werde über kurz oder lang an den Hof zurückkehren, kam die Nachricht, daß Karl innerhalb weniger Tage eintreffen würde.
    »Wo ist Hruodhaid? Warum versteckt sich meine eigene Tochter vor mir?« fuhr Karl Gerswind an. »Was habe ich ihr angetan?«
    Zum ersten Mal seit der Ankunft des Königs in Prüm stand Gerswind ihm gegenüber. Als der lange Zug eingetroffen war, hatte sie Liutgard die Villa übergeben und war trotz Versicherung der Königin, im Haus am Hang sei doch für alle Platz, mit Hruodhaid vorübergehend ins Genitium gezogen. Bei der Weihung der Goldenen Kirche hatte sich Hruodhaid krank gestellt, und Gerswind war nur allzugern bei ihr geblieben. Der Papst war inzwischen abgereist, und der König konnte sich endlich dem eigentlichen Anliegen widmen, das ihn nach Prüm geführt hatte.
    Er erließ den Befehl, Hruodhaid und Gerswind in den Empfangsraum der Villa zu bringen. Gerswind kam allein. Sie hatte sich vorgenommen, ihr Herz gegenüber dem Mann zu verhärten, der mit der eigenen Schwester ein Kind gezeugt und sich des Ehebruchs viel häufiger schuldig gemacht hatte, als dies sogar dem Papst nachgesagt wurde.
    Karl blieb auf seinem Stuhl sitzen, als Gerswind eintrat. Erstaunt stellte sie fest, daß sein Schnurrbart inzwischen vollständig ergraut war und sich die Furche zwischen seinen Augen vertieft hatte. Karl sah müde aus. Das darf mich nicht rühren! Siebezwang sich, um nicht auf ihn zuzustürzen, blieb an der Tür stehen und holte tief Luft, als der König sie mit der Frage nach seiner Tochter empfing.
    »Wie sicher sind die Töchter des Königs vor ihrem Vater, wenn nicht einmal die eigene Schwester den Nachstellungen des Bruders entgehen konnte?« fragte Gerswind.
    Die Ungeheuerlichkeit dieser Frage nahm Karl den Atem.
    »Was deutest du da an, Weib?« schrie er, als er wieder Luft holen konnte.
    »Was glaubst du, was Hruodhaid im Wald gehört hat, als sie vor lauter Freude, Äbtissin Gisela wiederzusehen, ihr an jenem Morgen entgegengeeilt ist?« gab Gerswind mit schneidender Stimme zurück.
    Karl wurde aschfahl. Er beugte sich

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