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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Cousine, seine eigene Beischläferin, ins Bett stecken zu wollen!«
    »Seiner Gastfreundschaft sind offenbar keine christlichen Grenzen gesetzt«, sagte Gerswind, nun auch lächelnd. »Ihr seid eben beide im Bilde darüber, was der andere zu schätzen weiß.«
    Karl musterte Gerswind nachdenklich. »Er hat keine Ahnung, wie sehr ich dich zu schätzen weiß«, sagte er leise. »Und du wohl auch nicht.«
    »Süße Sprüche!« fuhr Gerswind plötzlich auf. »Alle Welt läßt sich andauernd von deinem eigennützigen Gerede einwickeln! Alle Welt tut, was du willst! Ich nicht! Mit mir kannst du das nicht machen!«
    Seine Antwort darauf wollte sie nicht hören. Sie floh aus dem Zimmer.
    Der fränkische Kaiserhof blieb bis nach dem Osterfest in Rom. Die Einheimischen behaupteten, ihr Imperator, der Patron der Römer, habe die Hand über Stadt und Land gehalten. Denn kaum war Karl abgereist, erschütterte ein fürchterliches Erdbeben Italien. Bergabgänge begruben ganze Städte unter sich, zahlreiche Menschen kamen ums Leben, und das Dach der Peterskirche stürzte ein.
    Ein Bote übermittelte Karl diese Nachricht am Tag seiner Ankunft in Aachen, als Gerswind plötzlich, ohne anzuklopfen, in seine Beratungskammer stürzte.
    »Karl«, sagte sie atemlos. »Du hast Gäste!«
    Sie trat zur Seite und ließ zwei Männer in langen schwarzen Mänteln und mit hohen Fellmützen ein. Die seltsam Gewandeten warfen sich vor Karl auf die Knie und machten Anstalten, seine Füße zu küssen.
    Er zog die Beine an und blickte unwirsch auf.
    »Wer sind diese Leute?« fragte er Gerswind.
    »Gesandte des Kalifen von Bagdad!« erklärte sie. »Stell dir vor, man hat sie im Stall übernachten lassen! Sie sind schon seit einer Woche hier und haben Nachrichten für dich.«
    »Wieso weiß ich das nicht?« fragte Karl verärgert und bedeutete den Arabern mit hoheitsvollem Lächeln, sich zu erheben. Gerswind teilte ihm mit, daß die in Aachen zurückgebliebenen Höflinge nicht gewußt hätten, was sie mit diesen merkwürdigen Gestalten, die sich als Gesandte des Kalifen Harun al-Raschid ausgaben, anfangen sollten.
    »Sie sprechen aber auch ein höchst seltsames Latein«, sagte sie, »doch mit etwas Geduld kann man sie durchaus verstehen.«
    Die Magd Lindmuth hatte Gerswind flüsternd berichtet, daß drei fremdländische Männer im Stallhaus gefangengehalten wurden. In der Hoffnung, daß diese Männer vielleicht aus dem Norden stammten und ihr neue Nachrichten über ihre Mutter überbringen könnten, war sie sofort in den Stall geeilt und hatte dort erfahren, daß zwei der Männer Gesandte des Kalifen waren und ihr Begleiter, ein junger kräftiger Mann, der kein Wort sagte, ein Geschenk an den Kaiser.
    Da Gerswind wußte, daß sich Karl über seine eigene Gesandtschaft, die er drei Jahre zuvor nach Bagdad geschickt hatte, große Sorgen machte, war sie augenblicklich zum Kaiser geeilt.
    Karl hatte größere Mühe als Gerswind, das gutturale Latein und die blumigen Worte der Araber zu verstehen, und bat sie daher, als Übersetzerin im Raum zu verweilen. Er erfuhr, daß seine Botschafter Lantfrid und Sigismund, die er mit dem Juden Isaak zu Harun al-Raschid geschickt hatte, bereits auf der Hinreise schwer erkrankt waren. Isaak hatte sie gepflegt, bis sie starben.
    »Die Winde wehen leider nicht immer so, wie das Schiff es will«, sagte einer der Männer bedauernd, ein Satz, den sich Gerswind zu merken vornahm. Der Jude war dann allein mit Karls Geschenken an den Kalifenhof weitergereist.
    »Unser erlauchter Herr, der edelmütige Harun al-Raschid«, übersetzte Gerswind, »dankt für das starke fränkische Tuch, das in kalten Nächten seinen Körper genauso erwärmen wird, wie der Gedanke an seinen Bruder Karl, den großen Kaiser des Frankenlandes, sein Herz mit Wärme erfüllt. Unser mächtiger, von Allah geliebter Kalif dankt in besonderem Maße für die Meute der starken germanischen Kampfhunde, die sich vor ihrem Herrn so beugen wie die Grashalme im Wind. Dennoch sind sie so grimmig wie ein Sandsturm in der Wüste und erreichen ihr Ziel schneller als der Falke die Maus. Sie versetzten unseren allergütigsten Herrscher in großes Erstaunen, als sie bei der Jagd die stärksten Löwen bezwangen. Da sagte unser geliebter Fürst: ›Jetzt glaube ich, was ich über meinen Bruder Karl gehört habe. Daß er durch sein unermüdliches Streben, seinen Körper und seinen Geist zu üben, imstande ist, sich alles zu unterwerfen, was auf Erden ist.‹ Als Zeichen seines

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