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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Römer begeistert huldigten. Imperator der Römer! Was fiel Leo ein, die christliche Kirche von Ostrom zu scheiden und ausschließlich dem Abendland zuzuordnen! Im engsten Kreis seiner Vertrauten und seiner Familie verschaffte sich Karl endlich Luft.
    »Wie konnte er es wagen, mich zwei Tage nach seinem Reinigungseid zum Kaiser auszurufen! Mich zu überrumpeln und zu seinem Handlanger zu machen! Noch dazu in Rom! Welch eine bodenlose Unverschämtheit! Und was für ein politisches Unglück!«
    Unvermittelt blieb er mit funkelnden Augen vor einer Marmorbüste des Kaisers Augustus stehen. Söhne, Töchter und Berater hielten den Atem an, und Gerswind überlegte, ob es ratsam wäre, sich in Sicherheit zu bringen. Doch Karl schleuderte das Bildwerk nicht zu Boden, sondern wandte sich langsam um.
    »Was hast du da gesagt?« fuhr er Einhard an, der etwas vor sich hingemurmelt hatte.
    »Ich sagte, daß du wohl einzigartig in der Geschichte bist«, bemerkte der kleine Schreiber jetzt laut. »Oder ist dir ein anderer Mensch bekannt, der sich darüber beschwert hat, zum Kaiser erhoben zu werden?«
    Keiner wagte es zu kichern.
    Der junge Karl griff unsicher nach der goldenen Krone auf seinem Kopf, die ihm der Vater im Anschluß an die Kaiserkrönung mit sehr festem Druck aufs Haupt gesetzt hatte. Noch immer brummte ihm der Schädel. Gerswind musterte den jungen Mann von der Seite. Eigentlich hätte er an diesem Weihnachtstag im Mittelpunkt stehen sollen, aber wer konnte schon Interesse am neuen König Austriens bekunden, wenn dessen Vater soeben zum Kaiser der Christenheit ausgerufen worden war! Sie fragte sich, ob es je einem der Söhne gelingen würde, auch nur für kurze Zeit aus dem Schatten des Vaters herauszutreten.
    »Alkuin hat mich vor Leos List und Heimtücke gewarnt«, knurrte Karl gallig, ohne auf Einhards Bemerkung einzugehen. »Aber nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, daß er zu einem solch frevlerischen Mittel greifen würde! Wie konnte mich der Mann nur so hintergehen!«
    »Jetzt ist er unangreifbar. Mit diesem Akt hat er endgültig seine eigene Haut gerettet«, fuhr Einhard fort.
    »Sind wir nicht deshalb hergekommen?« fragte König Pippin in bemüht munterem Ton. »Um den Führer der Christenheit zu retten und die Kirche damit zu festigen? Ich dachte, ihr habt die ganze Sache in Paderborn zusammen ausgeheckt und wolltet uns mit dieser Ehre zu Weihnachten überraschen.«
    Karl warf dem König von Italien einen vernichtenden Blick zu.
    »Haben wir nicht!« schnauzte er ihn an.
    »Vater hätte sich lieber in Aachen und zu einem späteren Zeitpunkt zum Kaiser krönen lassen. Und wenn überhaupt von einem Papst, dann wohl von einem anderen«, meldete sich Berta sachlich zu Wort.
    »Davon habe ich nie gesprochen!«
    Gerswind überlegte, wie oft an der Abendtafel davon die Rede gewesen war, daß dem König Karl eigentlich höhere Würden zustünden. Wie oft hatte er selbst über die Unerträglichkeit sinniert, daß sich ein vergleichsweise unbedeutender Monarch wie Offa vom angelsächsischen Mercien auch König hatte nennen dürfen! Und Alkuin hatte einmal sogar ausgesprochen, wie bedauerlich er es fand, Karl nicht selbst zum Kaiser krönen zu können. Ihr gegenüber hatte Karl auch angedeutet, daß er in Paderborn mit Leo über die Zukunft seiner Herrschaft verhandelt hätte. Was konnte dies anderes bedeuten als Gespräche darüber, wie Karl zum Kaiser gemacht werden könnte!
    Schon damals hatte sie bedacht, wie ungünstig es wäre, wenn ausgerechnet dieser übel beleumundete Papst in Zusammenhang mit einem späteren Kaisertum gebracht werden könnte. Eigentlich hatte sie erwartet, daß sich Karl nach Vollendung des zweiten Roms in Aachen selbst die Kaiserkrone aufs Haupt setzen würde, wie er das ja auch mit der langobardischen Königskrone getan hatte.
    »Ein anderer Zeitpunkt wäre sicherlich günstiger gewesen«, erklärte Einhard jetzt auf Bertas Bemerkung hin. »Aber es gibt kein Zurück. Du bist jetzt Kaiser, Karl, nach byzantinischem Hofzeremoniell.«
    »In Ostrom gibt es keine Salbung«, grollte Karl. »Und die Abfolge stimmte auch nicht.«
    »Du meinst, weil er dir die Krone vor der Akklamation aufgesetzt hat?« fragte Einhard. »In der Tat, damit ist er vom Zeremoniell abgewichen und hat sich selbst die Hauptrolle zugeschoben.«
    »Die ihm nicht zustand!«
    »Gewiß nicht. Aber für das Volk in der Peterskirche sah es so aus, als machte er dir ein Geschenk. Als läge das Kaisertum ausschließlich in

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