Die Beutefrau
dem Morgenland hinderte sie an einer scharfen Antwort. Sie verneigte sich sehr tief vor dem Kaiser.
»Da Karl der Große der Herren liebliche Rede nun selbst versteht, bittet seine unwürdige Dienerin untertänigst, aus dem strahlenden Mittelpunkt der Macht entlassen zu werden. Die edlen Gesandten des allergütigsten Kalifen, des Beherrschers der Gläubigen, werden dem mächtigen Kaiser gewiß noch nützliche Hinweise zur Einrichtung seines Frauenhauses geben.«
Karl lachte.
»Du kannst es wohl kaum erwarten, dir dein Zimmer in meinem Harem auszusuchen! Du kriegst das schönste, das verspreche ich dir. Für heute bist du entlassen, meine wohlduftende, betörende weiße Blume aus dem kalten hohen Norden. Doch halte dich bereit, mein süßes Kind des undurchdringlichen Waldes, denn Karl der Große wird sich in jegliche Niederungen seines wertlosen Daseins herablassen, um deinen geliebten Schatten zu liebkosen.«
Hatte Gerswind Karls Bemerkung über ein Frauenhaus zunächst noch für einen schlechten Scherz gehalten, wurde sie bald eines Besseren belehrt. Der Kaiser ließ eines der neuen Gebäude nahe dem Waldsaum in unmittelbarer Nachbarschaft seines eigenen Wohnbereichs tatsächlich als Frauenhaus herrichten. Hier sollten alle höhergestellten unverheirateten Frauen seines Hofstaats untergebracht werden, und Achmed hatte am Eingang darüber zu wachen, daß sie vor unerwünschten Nachstellungen durch Höflinge und Gäste geschützt waren.
Anders als die meisten Fachwerkwohnbauten der immer größer werdenden Aachener Siedlung war dieses vierstöckige Haus nicht auf Pfählen errichtet worden, sondern verfügte über ein ausgebautes Erdgeschoß, dessen Räume jenen Frauen vorbehalten waren, denen Karl selbst gelegentlich seine Aufwartung machen wollte. Diese Gemächer gruppierten sich um ein großes Wasserbecken, das Karl auf Empfehlung des Eunuchen hatte ausheben lassen. Auch die Frauenhäuser des Kalifen waren mit derartigen Bädern ausgestattet, und Karl griff den Gedanken gern auf, da dies seinem ausgeprägten Hang zur Reinlichkeit entgegenkam. Zum Entsetzen seiner Ärzte bestand er darauf, seinen Körper nach jeglicher schweißtreibenden Tätigkeit zu baden. Auch nach jener, die ihm seine schönen jungen Frauen abverlangten.
Natürlich hatte er dieses Becken nicht annähernd so geräumig anlegen lassen wie jenes in seinem eigenen Badehaus, in das er vor kurzem mehr als hundert Würdenträger eingeladen hatte. Die meisten waren mit sichtlichem Widerwillen der Aufforderung des Kaisers gefolgt, sich ins Wasser zu stürzen, hatten aber tatsächlich alle darin Platz gefunden.
Gerüchte über die prächtige Einrichtung der unteren Räume des Frauenhauses machten am Hof die Runde. Die derzeit fünf Bewohnerinnen ließen auch keinen Zweifel daran, daß ihnen als anerkannte Friedelfrauen des Kaisers solch vornehme Gemächer zustünden. Niemand, außer dem Kaiser und ein paar ausgewählten Mägden, durfte diesen Teil des Hauses betreten. Sogar Rotrud und Berta war von Achmed höflich, aber bestimmt der Zugang verwehrt worden.
Neugierig geworden, trat Gerswind eines Tages durch die offene Tür in das Gebäude. Sie rechnete damit, sofort von Achmed abgewiesen zu werden, doch der arabische Eunuch lächelte ihr nur freundlich zu und wies aufmunternd zu einer der sieben Türen, die vom Badehaus abgingen.
Gerswind klopfte an. Als keine Antwort ertönte, öffnete sie die Tür. Staunend blieb sie auf der Schwelle stehen. Das Gemach war doppelt so groß wie jenes, das sie sich mit Hruodhaid teilte, und äußerst vornehm eingerichtet. Gerswind hielt die Luft an: Karls Beischläferinnen waren weitaus prunkvoller untergebracht als seine Töchter! Kein Wunder, daß diesen die Besichtigung versagt geblieben war!
Schon von außen waren Gerswind die bei Fachwerkbauten ungewöhnlich großen Fenster aufgefallen, in die kleine farbige Glasstücke eingesetzt worden waren, die durch Bleiruten miteinander verbunden wurden. Sie trat näher und entdeckte erstaunt, daß sich sechs zusammengefügte Glasstücke durch einen bestimmten Dreh an einem Hebel in einem Stück sogar herausheben ließen. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Sorgfältig legte sie das mit dickeren Bleiruten eingefaßte Teil auf ein Samtkissen auf der Fensterbank und stieß einen Jauchzer aus, als sich ungefiltertes Tageslicht ins Zimmer ergoß. Nie hatte sie sich vorgestellt, daß eine Kammer von solch natürlicher Helligkeit gänzlich erfüllt sein könnte! Die
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