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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Dankes und seiner Ehrerbietung sendet er Karl, dem großen Kaiser, ein sehr großes Geschenk.«
    Der Sprecher nickte unaufhörlich, während Gerswind seine Rede übersetzte. Dann fügte er noch hinzu, daß dieses Geschenk so gewaltig und empfindlich sei, daß es weder der Jude Isaak noch eine Gesandtschaft auf dem Landweg ins Frankenland bringen könne. Isaak warte mit hochrangigen Würdenträgern des Kalifen in Tunis darauf, daß ihm ›Karl der Große‹ ein Schiff schicke, auf dem dann alle kostbaren Geschenke, vor allem das ungeheuer umfangreiche, sorgsam verladen und in den Norden gebracht werden könnten.
    Der Kaiser blickte amüsiert zu Gerswind.
    »Als ich meine Flotte bauen ließ, hatte ich eigentlich anderes mit ihr vor, als damit großzügige Gaben abzuholen. Darf ich fragen, woraus dieses ›ungeheuer umfangreiche Geschenk‹ des erlauchten Kalifen besteht?« wandte er sich an den Sprecher.
    Der zögerte einen Augenblick. »Das Geschenk, mit dem unser geliebter Kalif seinen Bruder, Karl den großen Kaiser, zu überraschen und eine Freude zu machen beliebt, besteht aus Fleisch.«
    Das mußte Gerswind nicht übersetzen.
    »Fleisch!« rief Karl. »Ein Fleischberg?«
    »So kann man es nennen«, sagte der Araber nickend. »Ein sehr großer lebender, kostbarer Fleischberg. Der aber keinesfalls zum Verzehr geeignet ist.« Er legte eine Pause ein, ehe er verkündete: »Ein weißer Elefant.«
    Karl und Gerswind sahen sich an und schwiegen überwältigt. Beide hatten von Elefanten gehört, diesen riesigen Rüsseltieren, die einer ausgestorbenen Welt anzugehören schienen. Sie kannten keinen Franken, der ein solches Geschöpf jemals mit eigenen Augen gesehen hätte.
    »Es heißt, daß Hannibal dereinst mit Elefanten über die Alpen gezogen ist«, sagte Karl schließlich.
    »Weiße Elefanten sind kostbarer als ein Gemach, das bis zur Decke mit Gold gefüllt ist«, betonte der Araber. »Man sagt, daß ein solches Tier dem Besitzer stets Glück und Wohlstand bringt. Der Tod eines weißen Elefanten verkündet jedoch Unheil.«
    Während Gerswind darüber nachdachte, daß ein solches Geschenk von zweifelhaftem Wert sei, wenn ihm kein langes Leben beschieden war, sprach der Araber weiter. Er erklärte, sein Kalif wolle sichergehen, daß eine solch edle Fracht unbeschadet im Reiche Karls des Großen ankomme, und setzte mit beschwörender Geste hinzu, daß Elefanten normalerweise uralt würden.
    Karl schlug sich auf die Knie. »Ich schicke meinen Kanzler an die Küste. Der soll sich um ein geeignetes Schiff kümmern«, sagte er. »Und Gerswind, kein Wort zu den anderen! Dieser weiße Elefant bleibt unser Geheimnis!«
    »Vor der Tür wartet noch ein dritter Araber«, sagte Gerswind etwas unsicher. »Ein Sklave, glaube ich, denn er soll auch ein Geschenk für dich sein, aber ich habe nicht recht verstanden, wozu er dient.«
    »Vielleicht verfügt er über besondere Sangesgaben«, überlegte der Kaiser laut, »oder Harun sendet mir einen begnadeten Kämpfer.«
    Beides traf zwar zu, doch die wirkliche Aufgabe des dritten Mannes war ganz anderer Art.
    »Der mächtige Kalif, der Beherrscher der Gläubigen«, übersetzte Gerswind zögerlich, »hat sich gefreut zu erfahren, daß ihm sein Bruder Karl der Große auch darin gleicht, daß er sich gern mit schönen und klugen Frauen umgibt und die Lieblichkeit ihrer Dienste zu würdigen weiß …«
    Gerswind brach ab.
    »Du brauchst nicht weiter zu übersetzen«, sagte Karl lachend, »langsam gewöhne ich mich an seine Sprechweise. An der Formulierung ›Beherrscher der Gläubigen‹ hätte ich zwar einiges auszusetzen, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Und es gefällt mir, wie er mich stets ›Karl der Große‹ nennt.«
    »Und daher«, fuhr der Sprecher fort, »sendet er Karl, dem großen und gütigsten Kaiser der Welt, seinen getreuen Eunuchen Achmed. Dieser wird über die Tugend der erwählten Frauen wachen und die Pforten des Frauenhauses vor Eindringlingen schützen. Seine liebliche Stimme läßt die Nachtigall vor Neid verstummen, an Treue übertrifft er das Efeu, das sich um den Baumstamm rankt, und seine Körperkraft kommt der zweier Ochsen gleich. Und wie diesen ist es ihm weder möglich noch wünschenswert, die Gunst des Weiblichen zu genießen.«
    »Ein Frauenhaus«, sinnierte Karl. »Von einem gehorsamen entmannten Riesenkerl mit Engelsstimme bewacht. Das ist wahrlich kein schlechter Gedanke.«
    Gerswind musterte ihn sprachlos, und nur die Anwesenheit der Gesandten aus

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