Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
dem Andenken ihrer Mutter gerecht wird. Bertrada war eine von uns, Gerswind, auch wenn ihr Sohn dies leugnet und uns, die er Heiden nennt, ausrotten möchte. Versprich mir, daß es ihm nicht gelingen wird, Gerswind! Daß Judith unter deine Obhut kommt und du ihr den rechten Weg weist!«
    Geva hielt den Blick starr auf den glatten hellen Felsen gerichtet.
    »Gelobe es!« Ihre Stimme schien aus dem Stein zu kommen wie die von Teles in der Nacht seines Todes.
    »Ich gelobe es«, versprach Gerswind dem Felsen.
    Dann sah sie neben sich.
    Ihre Mutter war verschwunden.
    »Du hast mir versprochen …«
    »… deine Mutter und deine Schwester ziehen zu lassen«, vollendete Karl den Satz. Er saß auf dem hohen Holzsessel in seinem Beratungsgemach und musterte Gerswind belustigt. »Ich habe mein Wort gehalten. Sie sind weg.«
    »Judith …«
    »… hast du bei deinen Verhandlungsbemühungen nicht erwähnt. Also ist sie hier und bleibt hier.«
    »Warum?«
    »Weil ich eine Schwäche für niedliche kleine Sachsenmädchen habe. Und du mußt zugeben, daß Judith außerordentlich niedlich ist, oder etwa nicht?«
    »Eine Mutter von ihrem Kind zu trennen …«
    »… kann dem Kind durchaus nützlich sein. Schau dich doch selbst an, wie prächtig du gediehen bist! Wärst du lieber im Wald geblieben, von einem Versteck zum nächsten geflüchtet und zum Schluß in einem Kloster gelandet?« Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: »Andere Edelinge reißen sich darum, ihre Töchter am Kaiserhof aufwachsen zu lassen! Und außerdem hat diese Mutter weitere Kinder, denen sie sich mit Inbrunst widmen kann. Sag selbst, Gerswind, wie hätte deine Zukunft ausgesehen, wenn ich dich nicht hier aufgenommen hätte?«
    Sie öffnete den Mund, doch nur heiseres Flüstern kam heraus, und ihre Worte überraschten sie selbst: »Wie sieht sie denn jetzt aus? Meine Zukunft?«
    Sie sah den Mann an, der ihrer Familie so viel Leid gebracht hatte. Den sie dennoch liebte und der jetzt wie ein Fremder zu ihr sprach. Der einen unüberbrückbar scheinenden Abstand geschaffen hatte und eine Kälte ausstrahlte, die ihr unerträglich erschien. Vor allem nach dem Treffen mit ihrer unversöhnlichen Mutter.
    »Geva hat sich dafür verwendet, daß du an Heilwigs Statt Judith eine Mutter sein sollst. Da ich keine Gemahlin mehr habe und meine älteren Töchter mit den jüngeren genug zu tun haben, wäre das nur vernünftig. Doch du wohnst im Frauenhaus, und da dulde ich keine Kinder jenseits des Säuglingsalters, wie du weißt.«
    »Ich könnte ausziehen«, erklärte Gerswind.
    »Dein wunderschönes Zimmer und den Blick auf den Wald aufgeben?« fragte Karl leise.
    Gerswind dachte schnell nach. Vor dem Gespräch mit Geva war sie fest entschlossen gewesen, dieses wunderschöne Zimmer für immer zu verlassen. Doch jetzt hielt sie eine Aufgabe am Hof, die wichtiger war als die Bewahrung ihres Stolzes. Sie hatte gelobt, Judith in ihre Obhut zu nehmen.
    »Hruodhaid wird sich freuen«, sagte sie trocken.
    Karl lachte und erhob sich langsam.
    »Wie selbstlos du doch bist, meine Gerswind! Erst bietest du mir deinen kostbaren Körper im Tausch gegen die Freiheit von Verwandten an, die du gar nicht kennst, jetzt bist du bereit, für deine kleine Nichte auf Privilegien zu verzichten und damit obendrein noch meiner Tochter eine Freude zu machen. Aber daraus wird nichts.«
    Zu Beginn seiner Rede war Gerswind hochrot geworden, doch bei seinem letzten Satz wich ihre Scham grenzenloser Wut. Karl spielte mit ihr wie eine Katze mit der Maus, gaukelte Verständnis vor, um gleich danach wieder Hoffnungen zunichte zu machen, lobte und beleidigte sie in einem Atemzug. Sie vergaß, wo sie sich befand, sprang mit erhobenen Händen auf den Kaiser zu, als wollte sie ihn würgen. Blitzschnell hielt er ihre Hände fest.
    »Was erregst du dich so?« fragte er. »Willst du wirklich lieber mit Hruodhaid in einem Bett schlafen, als in meinem Palatium ein Zimmer für dich allein zu haben?«
    Gerswind sah ihn verständnislos an und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.
    »Komm mit«, sagte Karl und stieß die Tür zu seinem angrenzenden Schlafgemach auf.
    Sie schüttelte heftig den Kopf, sperrte sich mit den Füßen und versuchte, den Kaiser zu beißen.
    Er ließ sie los.
    »Gerswind«, sagte er laut und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Ich biete dir ein Gemach neben meinem an. Wie damals in Rom. Nur führt von dieser Kammer eine Treppe nach unten zu den Zimmern der Mädchen.

Weitere Kostenlose Bücher