Die Beutefrau
getrachtet hatte, weil er nicht mehr Kronprinz war. Bilder stürmten auf ihn ein. Hildegard, die ihm ihren Erstgeborenen in den Arm legte, die weiteren Söhne und die Töchter. Alle schön und gut gewachsen. Und als er wieder zu seinem Ältesten hinsah, schienen ihn Himiltruds Augen zu fragen, wo denn die einstige Liebe geblieben sei.
Er wandte sich ab.
»Soll er sein Gewand anbehalten. Geißelung mit Rute und Peitsche«, befahl er. »Und danach möge er mir vorgeführt werden, auf daß ich über sein weiteres Los bestimme.«
Er mußte jetzt allein sein.
Kaplan Fardulf schien wie ein Schemen vor der Wand zu erscheinen, als Karl schweren Schrittes den langen Gang zu seiner Denkkammer einschlug. Der König blieb kurz stehen.
»Ich danke dir für deinen Bescheid«, sagte er zerstreut. »Die Belohnung ist dir gewiß.«
»Welche?« fragte der Kaplan rasch.
»Saint Denis«, murmelte Karl. »Ich werde dir die Abtei von Saint Denis übertragen.«
Dort lagen seine Eltern, und dort hätte er jetzt gern gebetet.
Die tiefe Verbeugung des Kaplans nahm Karl gar nicht wahr. Er wußte nicht, woher der Langobarde Kenntnis über den geplanten Anschlag hatte, und es war ihm auch gleichgültig.
Stunden später wurde ihm ein geschundener Pippin vorgeführt. Karl starrte seinen Ältesten vom Tisch aus an, als erblickte er ihn zum ersten Mal.
»Weißt du, daß im Westen meines Landes eine Hungersnot herrscht?« fragte er seinen Sohn und schlug mit der Faust auf das Pergament, das vor ihm lag. »Das gesamte Getreide ist krank und kann nicht geerntet werden …« Seine Stimme verlor sich.
»Und dafür willst du mich verantwortlich machen?«
Pippins scharfer Ton riß den König aus Gedanken, die nichts mit dem Anschlag zu tun hatten.
»Eine solche Macht hättest du wohl gern«, antwortete Karl kalt. »Es wird Zeit, daß du Demut lernst.« Wie meine Mutter, dachte er. Auch sie hat ihre Macht überschätzt. Und ist nach Prüm gegangen, als ich ihr Grenzen setzte.
»Wenn du mich vierteilen oder den Schierling trinken läßt, bleibt dafür wohl kaum Zeit.«
»Du wirst genügend Zeit haben, mein Sohn, denn ich werde nicht dem das Leben nehmen, dem ich es geschenkt habe. Ich werde dich dorthin schicken, wo du keinen Schaden mehr anrichten kannst, dorthin, wo die Menschen unser Haus achten und deine Großmutter und mich viele Jahre lang vor Unheil behütet haben. Wenn es Gott gefällt, wirst du dein Leben dort beschließen, wo ich es begonnen habe. Unser Oheim, Vater Assuerus, wird in unserer Hausabtei zu Prüm einen guten Mönch aus dir machen, dessen bin ich mir gewiß.«
Nachdem er es ausgesprochen hatte, kam beinahe so etwas wie Neid in ihm auf. Sein Ältester wußte jetzt, wohin er gehörte.
Er wandte sich an Alkuin, der auf einer Bank nahe dem Fenster Karls Urteil bezeugt hatte: »Trage dafür Sorge, daß mein Ältester augenblicklich nach Prüm gebracht wird – ehe ich mich doch noch anders besinne! Und rufe mir dann Einhard herbei.«
Er wollte sich jetzt nicht weiter mit der Hungersnot in seinem Land beschäftigen, sondern sich mit Einhard die jüngsten Zeichnungen ansehen, die sein Baumeister Odo von Metz aus Aachen geschickt hatte. Er brauchte erhebende Gedanken. Und mit jedem Tag wurde Karls Traum von einer großen Residenz, einem zweiten Rom, greifbarer.
Aber dafür mußte er erst den Schatz der Awaren erobern. Der just niedergeschlagene Aufstand hatte ihm wieder einmal vor Augen geführt, wie käuflich die Menschen waren und wie wenig Treueide offensichtlich taugten. Überall im Land hatten sich die Sachsen schon wieder erhoben. Sie wehrten sich gegen die gnadenlose Eintreibung des Zehnten und dagegen, daß sie für den erneuten Feldzug gegen die Awaren zwangsrekrutiert wurden. Ihm war zu Ohren gekommen, daß im ganzen Frankenland Kirchen brannten. Und viele der heute Hingerichteten waren auch sächsischer Herkunft gewesen.
Ohne anzuklopfen, betrat Fastrada die Kammer.
»Die Sachsen sind wieder wild geworden«, murmelte Karl.
Mit einer Handbewegung wischte Fastrada die Pergamentrollen vom Tisch und setzte sich darauf.
»Du wirst ein Exempel statuieren müssen, mein Lieber«, sagte sie sachlich, ließ einen edelsteinbesetzten Schuh fallen und zog die Beine an. Beiläufig musterte sie ihren zierlichen Fuß und sagte im Plauderton: »Damit ist natürlich das Los deiner sächsischen Geisel besiegelt.«
Karl sah sie verständnislos an. Sein Blick wanderte zu ihrem Fuß.
»Die Tochter Widukinds«, erläuterte
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