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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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war knapp dreizehn Jahre alt gewesen, als er sie heiratete, und sie, Fastrada, bei der Eheschließung nur wenig älter. Noch behandelte Karl Gerswind wie ein Kind, aber wie schnell konnte aus neckischen Spielchen ein Zeitvertreib mit etwas mehr Spannung werden! Zumal die kleine Sächsin schon jetzt versprach, so schön wie ihre Mutter zu werden, und sich genausooft in Karls Gegenwart aufhielt wie seine eigenen Töchter.
    Fassungslos hatte Fastrada beobachtet, daß sogar auf diesen gelegentlich der Blick ruhte, den Karl ihr selbst in ganz besonders aufregenden Augenblicken schenkte, und sie begann, sich ernsthafte Sorgen darüber zu machen. Auf ihre Frage, wann er denn nun vorhabe, die inzwischen immerhin schon siebzehnjährige Rotrud einem passenden Gemahl zuzuführen, hatte er äußerst heftig reagiert. »Es gibt keinen passenden Gemahl für sie. Für keines meiner Mädchen! Sie werden an meinem Hof bleiben, bis ich sterbe!«
    Als er Fastradas entsetztes Gesicht sah, hatte er begütigend hinzugefügt: »Es dient uns beiden, meine Liebste, wenn sich die Mädchen nicht mit Männern ehelich vereinigen, die durch die Verbindung zum Königshaus unsere Stellung in Gefahr bringen könnten.«
    Fastrada hatte erleichtert durchgeatmet. Ihr Ehemann hatte ihr eine völlig vernünftige Erklärung dafür geliefert, weshalb er seine Töchter um sich haben wollte. Gerswind aber war keine Tochter, sondern eine mögliche Gefahr für ihre eigene Position. Und deshalb mußte sie so schnell wie möglich aus der Kinderstube des Hofes verbannt werden.
    Und jetzt bot sich dazu eine Gelegenheit. In normaler Verfassung würde Karl Gerswind natürlich kein Härchen krümmen, doch jetzt war er von ähnlichem Grimm erfaßt wie in Verden, als er Tausende von Sachsen am Ufer der Aller hatte hinrichten lassen. Seine derzeitige Wut durfte sogar noch größer sein, denn sie speiste sich aus dreierlei Quellen: Die Sachsen waren wieder eidbrüchig geworden und verbrannten christliche Kirchen, der eigene Sohn hatte mit abtrünnigen Edlen einen Anschlag gegen den Vater geplant, und die drohende Hungersnot säte Unruhe unter der Landbevölkerung. Viele Bauersleute flehten bereits wieder die alten Götter um Abhilfe an.
    Der Goldschmied, der Fastradas Diamanten einen neuen Schliff verpassen sollte, raunte der Königin in seiner Werkstatt zu, daß die meisten Bauern keinesfalls einer Krankheit des Getreides die Schuld an der großen Mißernte gaben.
    »Sie sind davon überzeugt, daß Dämonen die Feldfrüchte verschlungen haben«, flüsterte er ihr zu. »Sehr mächtige Dämonen, die nur durch ein Menschenopfer besänftigt werden können. So wie früher.«
    Fastrada wies den Mann an zu schweigen, doch er blickte sie listig von der Seite her an und versetzte, daß ihr das Wirken von Dämonen doch nicht allzu fremd sein dürfte. Die Facetten des Steins sprühten Funken, als er den Ring ans Licht des offenen Feuers hielt.
    »Wollt Ihr etwa bestreiten, daß auch in diesem Diamanten ein Dämon wohnt?« fragte der Goldschmied. »Habt Ihr nicht selbst erfahren, daß manches Eurem Willen zuwiderläuft, wenn Ihr den Ring tragt?« Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort: »Ihr könnt Euch diesen Dämon Untertan machen und ihn günstig stimmen, auf daß jenes geschehe, was Ihr Euch am meisten wünscht.«
    Fastrada sah sich in der dunklen Werkstatt des Goldschmieds um. »Du befaßt dich mit Zauberei!« fuhr sie den Mann an und deutete auf den Widderkopf über dem Eingang.
    »Ist es denn Zauberei, wenn man sich so gut schützt, wie man eben kann?« fragte der Mann. »Zumindest könnt Ihr bei mir sicher sein, daß der Tierschädel jegliche böse Kraft, die hier einzutreten wagt, augenblicklich dem Nichts zuführt. Auch der Dämon in Eurem Ring wartet nur darauf, Euch zu dienen.«
    »Was verlangt er dafür?« fragte Fastrada.
    »Um dies herauszufinden, müßt Ihr mit ihm in Verbindung treten«, erwiderte der Goldschmied. Er legte den Ring in eine flache Schale, sprenkelte ein zermahlenes Kraut darüber, entzündete es und forderte die Königin auf, den Kopf über die Schale zu halten, ein Vaterunser zu beten und den Rauch tief einzuatmen. Fastrada zögerte kurz. Durfte sie sich als Königin in der Öffentlichkeit verbotener Zauberei bedienen? Doch außer dem Goldschmied war niemand anwesend, und dieser übte vor der höchsten Frau des Landes ganz unverhohlen die verbotene Kunst aus, wohl wissend, daß er sich damit in ihre Hände begab. Der Gedanke, einen Dämon

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