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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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in Amt und Würden im Eifelgau gewesen, doch auf dem Sterbelager hatte ihm ein alter Mönch die ganze abenteuerliche Geschichte gebeichtet. Als er den König darauf angesprochen hatte, war dieser höchst ungehalten geworden und hatte Vater Assuerus geboten, für alle Zeiten darüber zu schweigen.
    Jetzt nickte Pippin der Bucklige. »Mein Vater hat mir berichtet, daß sein Leben in Prüm begonnen hat.«
    Vater Assuerus hob eine Augenbraue. »Da hat er dir mehr erzählt als vielen anderen«, sagte er nur und wandte sich wieder Gerswind zu.
    »Wie heißt du, mein Kind?«
    »Linde«, nannte Pippin den Namen, auf den sie sich unterwegs geeinigt hatten, »wie der Baum.«
    Der Abt musterte Gerswinds Hände und schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Bauern werden nicht viel Freude an dir haben. Du hast noch nie auf einem Hof gearbeitet, nicht wahr?«
    Gerswind blickte zu Boden.
    »Was kannst du denn?« fragte der Abt. Als Pippin wieder den Mund öffnete, wies er ihn sanft zurecht: »Laß sie bitte selbst antworten, ich vermute, daß in diesem zarten Körper eine Stimme steckt, und möchte wissen, ob ich recht habe.«
    »Nähen!« verkündete Gerswind mit fester Stimme, »und spinnen, weben, färben, vor allem mit Krapp, allerdings dauert es drei Jahre, bis man ihn ernten kann, und ich kann sehr gut sticken, sogar mit Gold- und Silberfäden …« Ihre Stimme verlor sich, und der Blick, den ihr Pippin zuwarf, bestätigte sie darin, daß sie schon mehr verraten hatte als nötig. Schließlich gab es nicht viele Orte, an denen kostbare Gold- und Silberfäden zum Einsatz kamen.
    »Damit wirst du hier wohl kaum ein Auskommen finden«, bemerkte Pippin.
    »Aber gewiß doch!« versetzte der Abt fröhlich. »Genau so jemanden brauchen wir in unserer Tuchmacherei, dem Genitium, dem deine Großmutter Bertrada zu so hohem Ansehen verholfen hat. Da werden nicht nur Altartücher hergestellt, sondern sogar feine Arbeiten für den Königshof. Ich werde sofort die Witwe Gislind rufen lassen. Sie hat die Leitung in Händen und klagte erst jüngst darüber, daß sich nur wenig Frauen auf den Umgang mit edlen Stoffen und Fäden verstehen.« Lächelnd wandte er sich wieder an Gerswind: »Um die Krappernte brauchst du dich aber wirklich nicht zu kümmern, liebe Linde, welch schöner Name, aber ich sehe schon, du verstehst dein Fach!«
    Sehr schnell stellte sich heraus, daß keine der Frauen im Genitium auch nur annähernd über das gleiche Geschick im Sticken verfügte wie die Zehnjährige. Die Witwe Gislind übertrug ihr schon sehr bald alle Aufträge, bei denen es darum ging, komplizierte Wappen, Ornamente oder Symbole auf Stoffen anzubringen. Mit ihren scharfen Augen, den geschickten kleinen Fingern und einer natürlichen Begabung brachte das Mädchen wahre Meisterwerke zustande. Ein halbes Jahr später hätte Vater Assuerus nicht mehr sagen können, daß diese Hände keine harte Arbeit gekannt hätten. Der Umgang mit den scharfen metallenen Fäden und den unnachgiebigen Nadeln grub tiefe Spuren in Gerswinds Haut, und derartigen Rissen war weder mit Euterfett noch mit zerstoßenem Tausendgüldenkraut beizukommen. Gearbeitet wurde an allen Wochentagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aber vor Festtagen oder bei großen Aufträgen saßen die Frauen im Genitium bis spät in die Nacht im schwachen Licht der Öllampen an den Spinnrädern, standen an den Webstühlen und arbeiteten in der Färberei. Als Lohn erhielten sie ein Dach über dem Kopf und mußten sich weder um Nahrung noch um Kleidung sorgen.
    Gerswind war ein anderes Leben gewohnt gewesen, doch sie klagte nie. Sie fand, daß sie großes Glück gehabt hatte, und bedankte sich jede Nacht dafür bei Gott, Jesus, den Heiligen, den anderen Göttern und den Ahnen. Manchmal schlief sie vor Erschöpfung ein, bevor sie die Aufzählung der Heiligen und der Götter beendet hatte, aber manchmal war sie auch noch lange genug wach, um ihren Vater, ihre Mutter, Carolino, Teles, Pippin, Hruodhaid, Rotrud und König Karl in ihre Gebete einzuschließen.
    Ihrem Retter Pippin suchte sie immer dann zu begegnen, wenn sie in der Abtei Altartücher oder fertige Kleidung für den Königshof abgab, und er schien sich jedesmal über ihren Anblick zu freuen.
    »Du tust mir gut«, sagte er ihr. »Meine Sünde erscheint eine Spur kleiner, weil ich dir helfen konnte.«
    Sie war glücklich, daß Pippin jetzt seinen furchtbaren Irrtum eingesehen hatte, und stand oftmals kurz davor, ihm ihre Rolle in der Aufdeckung

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