Die Beutefrau
einzunehmen.«
Ludwig wurde blaß.
»Hat dir denn der Gouverneur von Barcelona nicht bereits seine Stadt unterstellt?« fragte er mißtrauisch.
»Gewiß. Er hat sich mir hier zu Füßen geworfen«, erwiderte der Vater. »Aber als mein Heer in die Stadt wollte, wurden ihm die Tore nicht geöffnet. Darum wirst du dich jetzt zu kümmern haben.«
Ludwig zögerte immer noch.
»Sollte ich denn nicht bei der Reichsversammlung anwesend sein?« fragte er.
»Auch das, mein Sohn, auch das, doch danach reist du ab.«
Karl sprach es nicht aus, aber jeder am Tisch wußte, daß bis dahin die Streitkräfte die Arbeit so weit erledigt haben würden, daß Ludwig wirklich nur noch die Schlüssel der Stadt Barcelona in Empfang zu nehmen brauchte. Der jüngste Sohn des Königs taugte weder als Krieger noch als Diplomat, Politiker oder Taktiker. Auch ihm selbst war es am liebsten, wenn man ihn irgendwo hinstellte und ihm genau auftrug, was er zu tun hatte.
Während Karl des Redens enthoben war, da seine Kiefer deutlich sichtbar wieder ein zähes Stück Auerochs zu bewältigen hatten, dachte er weiter über seine so unterschiedlichen erwachsenen drei Söhne nach. Der junge Karl war ihm in vielem gleich – nur eben im Umgang mit Frauen nicht. Daß er womöglich immer noch der gescheiterten Heirat mit der Tochter des englischen Königs Offa hinterhertrauerte, kam dem König überhaupt nicht in den Sinn. Da er schon damals Karl als sein Ebenbild betrachtet hatte, eben als einen jungen Mann, der sich täglich aufs neue in die nächstbeste Schöne unsterblich verliebte, hatte er den jungen Karl vor der gleichen Unbedachtsamkeit schützen wollen, die ihn selbst dazu gebracht hatte, einst Himiltrud zu heiraten. O ja, die Ehe mit der Mutter des schönen buckligen Pippin war in aller Form geschlossen worden. Mit dem Segen Abt Fulrads und allen dazugehörigen Unterschriften auf Pergamenten, deren Vernichtung später keine sonderlich große Mühe gekostet hatte.
Aber vor Gott war Himiltrud in der Tat seine angetraute Ehefrau gewesen. Auch ein Grund, weshalb er den Zorn des um sein Erbe gebrachten Sohnes dieser Frau mehr als nur gut verstand. Er hoffte, daß es Pippin in Prüm gut erging, und war Gerswind sehr dankbar, daß sie ihm nichts anderes berichtet hatte. Und Pippin war er dankbar, daß er sich des armen kleinen Sachsenmädchens angenommen, ihr das Überleben und ein Auskommen ermöglicht hatte. Er vergaß nie, seinen Ältesten in seine Gebete einzuschließen.
Warm ruhte sein Blick auf Karl, seinem Lieblingssohn, dem einzigen, der ihm selbst ein wenig nachschlug. Auf ihn mußte gut achtgegeben werden, denn sollte der heimliche Traum vom Kaisertum eines Tages tatsächlich wahr werden, gäbe er wohl als einziger der Karlssöhne einen würdigen Kaiser ab.
Nicht auszudenken, was mit dem Reich geschehen könnte, wenn der lebenslustige und ziemliche verantwortungslose Pippin diese Krone trüge! Dieser Sohn, dem er den Namen Pippin (auf Dauer hätte er den Namen seines verhaßten Bruders Karlmann im eigenen Haus ohnehin nicht ertragen können) erst später hatte verleihen lassen, ähnelte seinem Vater rein äußerlich überhaupt nicht. Er hatte genauso rotleuchtendes Haar wie Hruodhaid, war zwar hochgewachsen wie alle seine Kinder, dabei aber schlaksig und fast mager. Dieser Knabe war Hildegards Lieblingssohn gewesen – sie hatte schließlich auf die Namensänderung gedrängt –, und Karl vermutete, daß die übergroße Mutterliebe dem Sohn geschadet haben könnte. Pippin mußte sich nicht anstrengen, um gemocht zu werden; wie dem Vater flogen auch ihm die Herzen zu, aber bedauerlicherweise genügte ihm das. Die Fähigkeiten zum Herrschen, die in ihm schlummern mochten, ließ er verkümmern, war nur auf die Wirkung des Augenblicks bedacht. Er zog es vor, den Großteil seiner Zeit in der Gesellschaft liebeswilliger Frauen zu verbringen. Was Alkuin ein Dorn im Auge war, der ihm vor gar nicht langer Zeit in einem Brief gemahnt hatte: »Sei ehrbar und keusch in deinem Lebenswandel. Genieß die Freuden der Ehe mit dem Weib deiner Jugend, und laß keine andere Frau an dir teilhaben.« Pippin schlug diesen Rat natürlich in den Wind. Erst wenige Wochen zuvor hatte ihm eine Friedelfrau den Sohn Bernhard geboren. Seine junge Ehefrau war derzeit zwar ebenfalls schwanger, doch das hinderte Pippin nicht daran, auch weitere Frauen, wie derzeit Gerswind, mit den Augen zu verschlingen. Er würde ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen, nahm
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