Die bezaubernde Arabella
Klub«, entschuldigte Mister Scunthorpe Lord Wivenhoe.
»Nun, es hat wohl keinen Sinn, darüber weiter zu reden. Wo ist Bertram?«
»Glaube kaum, daß Sie schon einmal in der Gegend waren… es ist in der Nähe von Westminster.«
»Gut, dann wollen wir sofort hinfahren.«
Er überlegte. »Nein, das geht nicht. Kann eine Dame unmöglich nach Willow Walk bringen. Sie verstehen das nicht. Der arme Bertram… Pulver ist ihm total ausgegangen… keinen Knopf mehr in der Tasche… die Kerls hinter ihm her… mußte alle Federn lassen… weiß nicht genau, wie es im einzelnen zuging, er ist wohl, als er aus dem Nonesuch kam, in den Roten Löwen gegangen, hatte ja sein Gepäck dort. Dann ab nach Tothill-Fields. Sehr üble Gegend. Der dumme Bursche hätte zu mir kommen und mich wecken müssen – hätte ihm gern mein Sofa zur Verfügung gestellt.«
»Mein Gott, warum hat er das nur nicht getan?«
Mr. Scunthorpe hüstelte verlegen. »Vielleicht war er etwas scheu. Wegen der Eintreiber. Denen hätte er es leicht gemacht, wenn er zu mir kam. Diese verflixten Lieferanten wußten ja, daß er ein Freund von mir ist. Na, so oder so, er ist eben nicht bei mir. Gab auch erst heute morgen Nachricht. Wahrscheinlich war er überhaupt nicht bei Trost. Nehmen Sie es ihm nicht übel, ich würde es auch nicht besser machen.«
»Ach, der arme, arme Bertram!« Sie rang die Hände. »Egal, ich muß ihn sehen, und wenn ich allein nach diesem Willow Walk fahren muß!«
»Sollten Sie lieber nicht tun, Gnädigste. Verdammt eklige Höhlen, das! Übrigens…«, er zögerte, schnitt ein verlegenes Gesicht. »Ganz bei sich ist er auch nicht. Hat sich, wenn ich es so nennen soll, eine Ecke abgestoßen.«
»Er muß halbtot sein vor Kummer und Verzweiflung! Nichts könnte mich von ihm fernhalten, gerade in einem solchen Moment! Ich hole nur meinen Hut, wir fahren gleich.«
»Ihm wird es nicht recht sein«, meinte Mr. Scunthorpe verzweifelt. »Wird mich rein ermorden wollen, bloß weil ich es Ihnen gesagt habe. Sie können nicht zu ihm.«
»Warum kann ich nicht?«
»Er ist ein bißchen im Dampf. Hat – das müssen Sie doch verstehen! – einen Kater:«
»Einen Kater?«
»Das dürfen Sie ihm nicht vorwerfen. Ich hätte es auch nicht erwähnt, wenn Sie ihn nicht unbedingt besuchen wollten. War total verzweifelt – Katze angeschossen – fühlte sich wieder besser – Feuerball geschluckt – Ergebnis: hing schlapp wie Michels Hutband, als ich ihn zuletzt sah.«
»Wollen Sie damit sagen, daß er getrunken hat?« fragte Arabella. »Was, um Himmels willen, ist ein Feuerball?«
»Brandy. Verdammt steifer Branntwein. Habe ihm immer gesagt, daß er Blue Ruin vorziehen soll. Ist bekömmlicher.«
»Jedes Ihrer Worte bestärkt mich in dem Entschluß, zu ihm zu fahren.«
»Sie können es mir glauben, es wäre weit besser, ihm ein bißchen Moos zu schicken.«
»Ich will ihm alles bringen, was ich habe, aber es ist ja so wenig! Ich kann mir gar nicht vorstellen, was da zu tun ist!«
Mr. Scunthorpe deutete vielsagend mit dem Daumen nach der Decke. »Sie meinen nicht, daß man der alten Dame…?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Unmöglich.«
Mr. Scunthorpe versank in Nachdenken. »Dann ist es vielleicht doch besser, Sie fahren zu ihm. Heute morgen redet er lauter Mist. Wer weiß, was er noch tut.«
Sie war schon an der Tür. »Wir haben keinen Moment zu verlieren.«
»Nein, nein, keine Sorge! Heute schneidet er sich den Hals nicht ab. Hab dem Mädel geraten, das Rasiermesser wegzuräumen.«
»Welchem Mädel?«
Er errötete wieder. »Dem Mädel, das er mir mit der Nachricht ins Haus schickte; kümmert sich ein wenig um ihn.«
»Oh, Gott segne sie!« rief Arabella. »Wie heißt sie? Wie sehr bin ich ihr verpflichtet!«
Da die fragliche Lady sich Mr. Scunthorpe als Leaky Peg vorgestellt hatte, mußte er zu Ausflüchten greifen; er hoffte aus tiefster Seele, daß sie das Mädchen nicht in Willow Walk antreffen würden. Jedenfalls sagte er, daß er sich den Namen nicht gemerkt hätte. Arabella schien ein wenig enttäuscht, aber da jetzt wirklich keine Zeit mehr zu verlieren war, wollte sie sich nicht mit Kleinigkeiten befassen, sondern lief aus dem Salon, um Hut und Schal zu holen.
Es war unmöglich für sie, das Haus zu verlassen, ohne daß der Kammerdiener es bemerkte; er sah zwar überrascht drein, äußerte jedoch nichts; wenige Minuten später saß sie mit Mr. Scunthorpe in einer wackeligen Mietdroschke, die vielleicht vor Jahr und Tag
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