Die bezaubernde Arabella
teilnahmsvoll und verständig. Auf seine Frage, welchen Schmuck sie anlegen würde, antwortete sie großspurig: »Nichts außer Diamanten«, und schämte sich gleich darauf, obwohl es die vollkommene Wahrheit war.
»Ihr Geschmack ist immer untadelig, Miss Tallant. Nichts könnte einem verwöhnten Auge mißfälliger sein als eine Überladenheit mit Juwelen. Ich muß Sie beglückwünschen, daß Sie einen günstigen Einfluß auf Ihre Zeitgenossen ausüben.«
»Ich?« fragte sie verwundert und argwöhnte Spott.
»Gewiß. Dieser völlige Verzicht auf alles Gepränge, der Ihr Auftreten charakterisiert, wird allgemein bewundert, und man beginnt Sie zu kopieren.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
»Gewiß meine ich es ernst. Haben Sie nicht bemerkt, daß Miss Accrington ihr häßliches Halsband mit den Saphiren abgelegt hat, und daß Miss Kirkmichael die Unzulänglichkeit ihrer Figur nicht mehr durch eine Schwelgerei in Ketten, Broschen und Halsbändern zu verdecken sucht, die sie, wie ich glaube, aufs Geratewohl aus ihrer überfüllten Schmuckkassette herausgenommen hat.«
Arabella fand es unwiderstehlich komisch, daß ihre Beengtheit Anlaß zu einer neuen Mode werden sollte; sie begann zu kichern. Warum sie aber in sich hineinlachte, hätte sie Mr. Beaumaris nicht sagen können. Er drängte auch nicht auf eine Erklärung, aber als sie dann den Park erreichten, lud er sie zu einem Spaziergang auf dem Rasen ein; der Groom nahm den Wagen in seine Obhut während sie sich ergingen, begann Beaumaris ihr von seiner Heimat in Hampshire zu erzählen. Aber auf diesen Köder biß sie nicht an. Miss Tallant beschränkte ihre Erinnerungen auf die Landschaft von Yorkshire und ließ sich nicht auf Familienreminiszenzen ein.
»Ihr Vater ist doch am Leben? Wenn ich mich recht erinnere, erwähnten Sie ihn an dem Tag, an dem ich Jimmy in meine Obhut nahm.«
»Tat ich das? Ja, er lebt, und an diesem Tag habe ich ihn sehr herbeigewünscht, denn er ist der beste Mensch von der Welt und hätte sicher sogleich gewußt, was zu geschehen hatte.«
»Ich darf hoffen, daß ich das Vergnügen haben werde, eines Tages seine Bekanntschaft zu machen. Kommt er oft nach London?«
»Nein, nie«, erwiderte Arabella mit Bestimmtheit. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Mr. Beaumaris und Papa aneinander Gefallen finden würden; übrigens geriet die Unterhaltung in eine gefährliche Zone, und so schlug sie wieder ihren Gesellschaftston an.
Auch auf der Rückfahrt nach London behielt sie ihn bei, aber als das offene Land hinter ihnen lag und der Wagen wieder zwischen Häuserzeilen dahinfuhr, gab sie ihn plötzlich auf. In einer engen Straße mußten die Grauen einem Lastwagen mit einem flatternden, zerfetzten Leinwanddach ausweichen, der am Straßenrand stand. Mr. Beaumaris’ Wagen hatte es schwer, an diesem Hindernis vorbeizukommen, und da seine Aufmerksamkeit den Pferden galt, bemerkte er eine Gruppe von Jungen nicht, die über etwas am Straßenrand gebeugt standen, hörte auch das verzweifelte Winseln nicht, das Arabella bewog, die Decke von ihren Knien zu streifen, »halten Sie doch!« zu rufen und ihr Schirmchen zuschnappen zu lassen.
Die Grauen kamen langsam um den Lastwagen herum; Mr. Beaumaris wollte sie zum Stehen bringen, aber Arabella wartete diesen Moment nicht ab, sondern sprang aus dem Wagen. Seine unruhigen Pferde im stählernen Griff, warf Mr. Beaumaris einen Blick über die Schulter, sah, wie Arabella sich mit ihrem geschwungenen Sonnenschirm einen Weg bahnte, und konnte nur rufen: »Nach vorn, Schafskopf!«
Sein Groom, den Miss Tallants befremdliches Verhalten offenbar aus der Fassung gebracht hatte, sprang vom Wagen und lief vor, die Grauen am Zügel zu nehmen. Mr. Beaumaris eilte auf das Schlachtfeld. Sachkundig stieß er die Köpfe zweier Straßenjungen gegeneinander, packte den dritten am Kragen und am Hosenboden und schleuderte ihn in den Rinnstein; nun erst konnte er sehen, was Miss Tallants Mitleid erregt hatte. Wimmernd und zitternd wälzte sich ein kleiner, sandfarbener Köter, das eine Ohr jämmerlich zuckend, auf dem Boden.
»Diese scheußlichen, brutalen Teufel!« rief Miss Tallant, deren Wangen und Augen brannten. »Sie haben das arme kleine Ding gemartert.«
»Vorsicht! Er kann nach Ihnen schnappen!« warnte Mr. Beaumaris, als sie neben dem Hund niederkniete. »Soll ich die Burschen allesamt verprügeln?« Bei diesen Worten zogen sich die zwei kleineren schleunigst zurück, während jene, deren Köpfe noch
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