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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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kann und wie Gott die Klammer für alles wird, für alles Tun und Lassen. Aber sie ist nicht bloß Ding, sondern
     Teil der wunderbaren Schöpfung.
    In der Bibel findet sich eine »Erklärung der Welt«, indem ihr ihr Geheimnis gelassen wird. Sie ist kein Rätsel, sie wird Geheimnis.
     Grund zum Sich-Verwundern über die Wunder, die Wunder bleiben, auch wenn wir sie erkennen und deuten in ihren Wirkungszusammenhängen.
    Der Oberflächliche nimmt nur die Oberfläche wahr, kommt nicht zur Wahrheit. Ur-Fragen in Ur-Mythen. Wie ist es alles gekommen?
     Woher sind wir? Woran knüpfen wir |53| an? Was gab es Neues unter der Sonne – und gibt es noch Neues unter der Sonne? Wohin gehen wir? Was sollen wir? Und immer
     wieder: Wer sind wir? In die Freiheit Entlassene, mit dem Fluch und mit dem Segen lebend, außerhalb des Paradieses, vor dem
     Abgrund, mit der ewigen Sehnsucht nach der »Rückkehr ins Paradies« und mit einer merkwürdigen Lust am Schmerz. Weltschmerz.
    Wie ein roter Faden, ein »Thema mit Variationen«: jenes selbstverständliche Reden von IHM, mit Erschaudern und Naivität, großer
     Nähe und noch größerer Distanz – aber stets ein Ringen mit Gott. Abraham schachert, Jakob hinkt, Mose stottert, Jona flieht.
     Sich-Zuwenden und Sich-Entziehen. Antwort geben und Antwort verweigern. Verantwortung wahrnehmen und Verantwortung verweigern.
    Wer diese »heiligen Schriften« liest, muss nicht Literaturwissenschaft oder Philosophie studiert haben oder die Sprachen verstehen.
     Er muss sich öffnen. Sich Zeit nehmen. Und hinhören. Sein Ohr schärfen. Seinen Verstand schärfen und sein Herz öffnen. Er
     wird begreifen den Unterschied von esse und existere. Aber dazu braucht er nicht diese Begriffe. Er erfährt es in den Geschichten,
     bereits in
den
Geschichten, die wir die »Urgeschichten« nennen. (1. Mose 1– 11)
     
    Die Bibel als »Buch der Weltliteratur«. Nicht im Spiegel der Weltliteratur. Sie selbst ist ein Buch, eine Bücherei von Weltrang.
     Die biblischen Schriften erfüllen das, was Dichtung zu sein hat: verdichtete Wirklichkeit, auf mehreren Ebenen verstehbar,
     eine Hochkultur, die jedem verständlich wird, der ernstlich nach sich fragt und der offen ist für die Wunder des Lebens wie
     für die Abgründe des Daseins. Und für das Spiel des Lebens.
    Was
da
steht, ist nicht das, was
drin
steht. Die Wahrheit der Bibel ist nicht ohne ihre literarische Gestalt zu bekommen. |54| Die erste Frage ist nicht, ob ich den religiösen Gehalt oder den Glauben teile, sondern die entscheidende Frage ist, wie darin
     Menschengeschick und Menschengeschichte so zur Sprache kommen, dass ich deren Relevanz für »mein Leben und meine Zeit« spüre.
    Dieses Buch der Weltliteratur verdient die Betrachtung auf der
Zeitachse
: Wann ist sie entstanden? Und wie lange schon entfaltet sie ihre Wirkung? Auf der
Raumachse
: Wo wurde und wo wird sie überliefert? Auf der
Wirkungsachse
: Welche Überlieferungsgeschichte hat sie hinter sich, und welchen Sprachen und Kulturen hat sie sich anverwandelt? Auf der
Relevanzachse
: Welche Bedeutung hatte und hat sie für die Interpretation, Veränderung und Verwandlung der Welt? Schließlich – und nicht
     zuletzt – als eine literarische Überlieferung von höchstem Rang, als ein unerschöpfbarer Resonanzboden für Kultur. Wir Deutschen
     können uns glücklich schätzen, in Luthers Übersetzung den Schatz unserer Sprache aufgehoben zu sehen.
    An kaum einem anderen Buch lässt sich die Entfremdung der so genannten christlich-abendländischen Kultur von ihren Wurzeln
     schärfer erkennen als an der Unwissenheit und der Unkenntnis über die Bibel. In Ost und West!
    Versatzstücke gibt es noch, abgelöst vom Konnotationsuniversum ihres Ursprungszusammenhangs. Adam verbindet sich vielleicht
     noch mit dem »Adamsapfel« und der Nacktheit im Paradies. Eva mit der Schlange. Kain mit dem Mord. Und Abel mit einem Ermordeten.
     Der Turmbau von Babel mit Sprachengewirr und vielleicht noch mit menschlicher Selbstüberschätzung. Noah mit der Arche und
     der Sintflut … Das alles ist richtig. Und das alles ist viel zu wenig. Das ist zu kurz gedacht. Das ist zu flach gedacht.
     Das wird solchen Texten nicht entfernt gerecht.
    Mindestens sollte man noch wissen, dass Adam nicht »Mann«, sondern »Mensch« heißt und übersetzt bedeutet |55| »Erdwesen« – aus der Adamah, der Erde, gemacht, mit dem »Odem« Gottes ausgestattet ist und dass dieses Wesen ohne Odem wieder
     zu Erde wird.
    Und wer

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