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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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auch weidlich
     erbaut. Welch ein Buch! groß und weit wie die Welt, wurzelnd in die Abgründe der Schöpfung und hinaufragend in die blauen
     Geheimnisse des Himmels … Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, Verheißung und Erfüllung, Geburt und Tod, das ganze Drama der
     Menschheit, alles ist in diesem Buche … Es ist das Buch der Bücher, Biblia.«
    Heine fährt fort:
    »Helgoland, den 29. Julius
    Ich habe wieder im alten Testamente gelesen. Welch ein großes Buch! Merkwürdiger noch als der Inhalt ist für mich diese Darstellung,
     wo das Wort gleichsam ein Naturprodukt ist, wie ein Baum, wie eine Blume, wie das Meer, wie die Sterne, wie der Mensch selbst.
     Das sprosst, das fließt, das funkelt, das lächelt, man weiß nicht wie, man weiß nicht warum, man findet alles ganz natürlich.
     Das ist wirklich das Wort Gottes, statt dass andere Bücher nur von Menschenwitz zeugen. Im Homer, dem anderen großen Buche,
     ist die Darstellung ein Produkt der Kunst, und wenn auch der Stoff |58| immer, ebenso wie in der Bibel, aus der Realität aufgegriffen ist, so gestaltet er sich doch zu einem poetischen Gebilde,
     gleichsam umgeschmolzen im Tiegel des menschlichen Geistes; er wird geläutert durch einen geistigen Prozess, welchen wir die
     Kunst nennen. In der Bibel erscheint auch keine Spur von Kunst; das ist der Stil eines Notizbuchs, worin der absolute Geist,
     gleichsam ohne alle individuelle menschliche Beihülfe, die Tagesvorfälle eingezeichnet, ungefähr mit derselben tatsächlichen
     Treue, womit wir unsere Waschzettel schreiben. Über diesen Stil lässt sich gar kein Urteil aussprechen, man kann nur seine
     Wirkung auf unser Gemüt konstatieren, und nicht wenig mussten die griechischen Grammatiker in Verlegenheit geraten, als sie
     manche frappante Schönheiten in der Bibel nach hergebrachten Kunstbegriffen definieren sollten. Longinus spricht von Erhabenheit.
     Neuere Ästhetiker sprechen von Naivität. Ach! wie gesagt, hier fehlen alle Maßstäbe der Beurteilung … die Bibel ist das Wort
     Gottes.
    Nur bei einem einzigen Schriftsteller finde ich etwas, was an jenen unmittelbaren Stil der Bibel erinnert. Das ist Shakespeare.
     Auch bei ihm tritt das Wort in jener schauerlichen Nacktheit hervor, die uns erschreckt und erschüttert; in den Shakespeareschen
     Werken sehen wir manchmal die leibhaftige Wahrheit ohne Kunstgewand.«
    Und Goethe wird nur kolportiert mit jener berühmten Gretchenfrage: »Wie hältst du’s mit der Religion?« Dass Goethe von »Zeus«
     nichts hält, weil er den Menschen von den Göttern emanzipieren will, meint jeder verstanden zu haben, der das »Prometheus«-Gedicht
     rezitiert hat. In seinen »Maximen und Reflexionen« heißt es über die Bibel: »Ich begreife es im Ganzen und verstehe es im
     Einzelnen. Wir aber sagen bescheiden: ›Im Ganzen ist es ehrwürdig und im Einzelnen anwendbar.‹«
    Wer versucht, die Bibel zu verstehen, muss sich bewusst |59| machen, dass sich in den biblischen Texten existenzielle und religiöse, soziale und soziologische, psychologische und philosophische
     Fragen verweben und verdichten. Ein ganzer Kosmos von Leben findet sich reduziert auf wenige Verse. Immer wieder und immer
     wieder ist es zu lesen und immer wieder und immer wieder öffnet sich eine Verständnistür und viele Türen bleiben verschlossen.
     Und ein anderes Mal öffnen sich andere. Und nie ist die Tür so offen, dass »alles klar« ist. Dass das so ist, liegt genau
     an den Fragen, die gestellt werden, die eben keine Kreuzworträtselfragen sind, sondern Geheimnisse des Lebens betreffen. Allerweltsfragen,
     ja Alltagsfragen, werden gestellt und bekommen durch den Kontext ihre Tiefendimension. Zugleich sind sie für jedermann verständlich.
     Das kannst du doch verstehen! Aber hast du es verstanden?
    Also, ich nenne solche Fragen: Mensch, wo bist du? Kain, wo ist dein Bruder Abel? Wie soll ich weiterleben? …
    Die Urgeschichten in der Bibel finden wir vor in der literarischen Form der Sage. Eine Sage erzählt, als ob sie über ein vergangenes
     historisch datierbares Geschehen berichtete. Dabei knüpft sie zumeist an ein reales Geschehen an, sucht sich gewissermaßen
     einen historischen Anknüpfungspunkt, kommt aber sogleich ins Generelle, ins Typische, – Reales und Generelles verweben sich
     miteinander.
    Die
Sagen
unterscheiden sich von
Märchen
, die keinen Anhalt in der historischen Wirklichkeit suchten oder brauchten. Begebenheiten in Raum und Zeit übersteigern sich
     ins

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