Die Bibel für Eilige
Gottesgericht für dieses Unrecht an. Elia muss fliehen und ist dem Umkommen nahe. Wunderliche
Prophetensagen erzählen von der Rettung des Propheten.
Daneben gibt es die Seher, die orakelhaft die Zukunft künden, wie der Seher Samuel gegenüber König Saul. Dieser trifft (wie
in 1. Samuel 10,5ff. erzählt wird) – von Samuel kommend – auf eine Schar von Propheten: »Vor ihnen her ertönt Harfe, Handpauke,
Flöte und Zither«, während sie selbst in Ekstase sind. Sie bringen sich tanzend in Rausch |86| und benutzen dafür Rauschmittel. Der König selbst lässt sich von dieser Ekstase ergreifen und die Leute fragen: »Ist Saul
unter den Propheten?« König Saul kommt nun zu Samuel. Der ist kein Ekstatiker, sondern Analytiker. Er will ihn beraten, nicht
betören. Sodann trifft Saul auf die Ekstatiker und lässt sich betören …
Später, nach Samuels Tod, wird König Saul phasenweise hoch depressiv, heitert sich durch Musik auf, fällt in tiefe Verzweiflung,
sucht angesichts der Angst vor dem Heer der Philister Zuflucht bei der Hexe in Endor, einer Totenbeschwörerin. Nachdem er
weder durch Träume noch durch Propheten Klarheit gewinnt, geht er zu ihr, und sie beschwört den toten Samuel aus dem Totenreich
hervor. Dessen Prophezeiung für ihn ist vernichtend.
Diese Geschichte vergegenwärtigt uns das ganze Problem des schillernden Begriffs »Prophet«. Wenn wir in unserer Sprache das
Verb bilden, heißt dies »prophezeien«. Und wenn jemand jemandem etwas prophezeit, dann sagt er ihm etwas »voraus«. So wird
aus dem Propheten ein Zukunftsvorhersager oder gar ein Zukunftsrauner. Dies kann einerseits der Vorfahre der Zukunfts- und
Trendforscher sein und andererseits der Halbbruder von Orakelbefragern, Kaffeesatzlesern, Sterndeutern und Horoskopgläubigen.
Biblische Prophetie spricht von den künftigen Folgen heutigen (Fehl-)Verhaltens,
und
sie eröffnet Perspektiven für die, die keine Zukunft mehr sehen.
Im Zentrum stehen die Schriftpropheten, die drei »großen Propheten«: Jesaja, Jeremia, Hesekiel und – als eine Sonderkategorie,
die schon in die Apokalyptik hinüberreicht – der Prophet Daniel. Dazu kommen die »zwölf kleinen Propheten«. Sie
alle
sind Einzelpersönlichkeiten. Wir haben ihre Spruchsammlungen schriftlich vor uns. Sie gehören zu keiner Prophetenorganisation
und sind in keine eigenen politischen Aktivitäten verwickelt, außer dass sie mit dem »Wort« |87| Einspruch erheben. Ihre Worte speisen sich nicht aus Ekstasen, weder bei ihrer Berufung noch beim Finden ihrer Worte. Sie
sind bei hellwachem Bewusstsein, sie hören, beobachten, antworten. Sie sehen und spüren genau, was ist und was wird. Im Unterschied
zu allen Ekstatikern geben sie ihre Widerfahrnisse selbst wieder;
bei den Ekstatikern können nur immer Dritte deuten
.
Jeder von ihnen ist einer und bleibt einer. Keiner von ihnen hat Massen angesteckt oder bewegt. Jeder hat für sich die Spannungen
auszuhalten gehabt, die durch sein Wort zwischen ihm und dem Volk aufbrechen, einem Volk, zu dem sie selber gehören, an dem
sie leiden, für das sie hoffen. Sie alle hatten zu ihren Lebzeiten kaum Erfolg. Sie kamen und riefen – und ihr Ruf verhallte.
Jeder steht am Ende da, wo er am Anfang stand – und der nächste Prophet muss wieder von vorn anfangen.
Einige Propheten haben ihren Worten Zeichenhandlungen hinzugefügt: So wird dem Jesaja geboten, nackt und barfuss zu gehen
(Jesaja 20,2).
Jeremia soll allein bleiben und nicht heiraten; er soll in kein Trauerhaus gehen, weder um zu klagen, noch um zu trösten,
aber auch nicht in ein Hochzeitshaus, um zu essen und zu trinken. Es ist Zeit des Gerichts!
Dramatisch wird es bei Hosea, dem der Auftrag erteilt wird, ein Hurenweib zu nehmen und Hurenkinder zu gebären, »denn das
Land läuft vom HERRN weg, der Hurerei nach« (Hosea 1,2). Mit der Hure bekommt er drei Kinder; diese bekommen symbolische Namen.
Jeder der Propheten muss selbst in Worte fassen, was er erspäht hat. Jeder tut es in eigener Verantwortung und mit ganz eigener
Profilierung. Jeder übernimmt Verantwortung. Keiner von ihnen ist frei von Verzweiflung. Sie bleiben als Berufene stets Angefochtene.
Die Ergriffenen sind die Zögernden (Jeremia 1,6ff.) und die Erschrockenen (Amos 3,8). Ihre |88| Widerspenstigkeit muss überwunden werden, und sie werden zu widerspenstigen Empörern gesandt (Hesekiel 2,3ff.).
Wegen ihrer Botschaft werden sie in die Einsamkeit gestoßen (Jeremia
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