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Die Bibel für Eilige

Titel: Die Bibel für Eilige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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15,17) und der Verfolgung ausgesetzt (Amos 7,10ff.; Jeremia
     20,10; 36).
    Die Propheten haben alles andere als ein stabiles Amts- und Sendungsbewusstsein. Sie sind darauf angewiesen, dass des HERRN
     Wort sie je und je aufrichtet (Jeremia 15, 19– 21) und darauf, dass SEINE Kraft sie erfülle (Micha 3,8).
    Sie erheben Anklage. Sie sagen, was gesagt werden muss, was sich aber kaum einer getraut. Die Anklagen gehen in drei Richtungen:
     soziale, politische und theologische. Die soziale Anklage ist bei Amos und Micha beherrschend. Die politische Anklage besonders
     bei Jesaja und Jeremia. Die theologische Anklage bezieht sich auf Götzendienst, Vielgötterei und die falsche Sicherheit, die
     den Menschen besonders durch das bestallte Priestertum eingeredet wird.
    Hinzu kommt die Anklage gegen die »falschen Propheten«. Waren die ersten Propheten wesentlich dazu da, das Königtum zu stützen,
     zu bestätigen und zu beraten, so werden sie mehr und mehr zur wachsamen Instanz, zu Warnern und Zurechtweisern der Könige.
    Insbesondere die Schriftpropheten stehen in einer permanenten Gegnerschaft: zum König, zur Priesterkaste, zu den Propheten-Organisationen
     und zur Menge des Volkes, das die Wahrheit nicht hören will. Sie selbst bilden keine Prophetenparteien und schüren keinen
     Aufstand. Sie haben den Königen gegenüber nichts einzusetzen als ihr Wort und – wo es nötig wird – ihr Leiden. Ihr Wirken
     ist in einen genau benennbaren historischen Zusammenhang gestellt (»Im Regierungsjahr des Königs Usia« usf.). Ihre Worte sind
     historisch geortet, aber sie werden ablösbar vom konkreten Zusammenhang und behalten eine aufdeckende, klärende, mahnende,
     tröstende Funktion. In jeder Gegenwart sagen sie etwas von |89| dieser Gegenwart und etwas über die Zukunft, die sie schon hinter sich haben und stets wieder vor sich haben. Das konkrete
     Wort ist zugleich ein prinzipielles, und das prinzipielle ist nur dann ein betreffendes, wenn es auch konkret ist.
    Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit zeichnet sie aus. Verantwortlich sind sie einzig dem, der sie berufen hat und der sie
     täglich ruft.
    So tritt Micha unmissverständlich den »Häuptern Israels«, also den Sippenältesten entgegen, die die Rechtspflege zu verantworten
     haben, und ruft ihnen zu:
     
    […] Höret doch, ihr Häupter im Hause Jakob
    und ihr Herren im Hause Israel!
    Ihr solltet die sein, die das Recht kennen.
    Aber ihr hasset das Gute und liebet das Arge;
    ihr schindet ihnen die Haut ab
    und das Fleisch von ihren Knochen
    und fresset das Fleisch meines Volks.
    Und wenn ihr ihnen die Haut abgezogen habt,
    zerbrecht ihr ihnen auch die Knochen;
    ihr zerlegt es wie in einen Topf
    und wie Fleisch in einen Kessel.
    Darum, wenn ihr nun zum HERRN schreit,
    wird er euch nicht erhören,
    sondern wird sein Angesicht vor euch verbergen
    zur selben Zeit,
    wie ihr mit eurem bösen Treiben verdient habt.
    (Micha 3, 1–4)
     
    Dann fährt der Prophet fort und geißelt die falschen Propheten, deren Wahrheiten nur Ausdruck ihrer Bestechlichkeit sind.
    So spricht der HERR wider die Propheten,
    die mein Volk verführen,
    |90| die da predigen, es werde gut gehen,
    wenn man ihnen zu fressen gibt;
    wer ihnen aber nichts ins Maul gibt,
    dem predigen sie, es werde ein Krieg kommen:
    »Darum soll euch die Nacht ohne Gesichte sein
    und die Finsternis ohne Wahrsagung.«
    Die Sonne soll über den Propheten untergehen
    und der Tag über ihnen finster werden.
    Und die Seher sollen zuschanden
    und die Wahrsager zu Spott werden;
    sie müssen alle ihren Bart verhüllen,
    weil kein Gotteswort dasein wird.
    (Micha 3,5–7)
    Darauf folgt das selbstbewusste Ich des Propheten:
    Ich aber bin voll Kraft, voll Geist des HERRN,
    voll Recht und Stärke […]
    (Micha 3,8a)
     
    Propheten
müssen
sagen, was sie sagen. Dies hängt mit der Unbedingtheit ihrer Berufung zusammen, am knappsten und eindringlichsten ausgedrückt
     beim Propheten Amos.
    Der Löwe brüllt,
    wer sollte sich nicht fürchten?
    Gott der HERR redet,
    wer sollte nicht Prophet werden?
    (Amos 3,8)
    Jeremia wehrt sich und sagt: Ich bin zu jung. Jesaja wehrt sich und sagt, ich bin ein Mann unreiner Lippen. Mose wehrt sich
     und sagt, ich kann nicht reden, und in wessen Namen soll ich denn reden. Wer wird mir glauben? Jeder wird überwunden durch
     die Stimme des Herrn, die er deutlich hört und der er sich nicht entziehen kann. Ein durch keine Überlebensängste eindämmbares
     ›Muss‹ wirkt in den Propheten, ein

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