Die Bibel nach Biff
ich schließlich einschlafen.«
»Ich habe es versucht, aber ich hab die ganze Nacht gebibbert. Es ist noch nicht mal Winter, Josh. Wenn Schnee fällt, werden wir ohne Decken erfrieren. Ich hasse die Kälte.«
»Du musst selbst die Kälte sein«, sagte Josua.
»Bevor du erleuchtest wurdest, mochte ich dich lieber.«
Inzwischen übernahm es Kaspar, unser Training persönlich zu überwachen. Ununterbrochen blieb er da, wenn wir von einem Pfahl zum anderen sprangen, und er drillte uns erbarmungslos in den komplexen Hand- und Fußbewegungen, die wir im Rahmen unserer Kung-Fu-Ausbildung übten.
(Ich hatte das komische Gefühl, als hätte ich solche Bewegungen schon mal gesehen, bis mir Wonne mit ihren verschlungenen Tänzen in Balthasars Festung einfiel. Hatte Kaspar den Zauberer unterrichtet oder umgekehrt?)
Wenn wir meditierten - manchmal die ganze Nacht - stand er mit seinem Bambusstock dicht hinter uns und schlug Josua und mir ohne ersichtlichen Grund mit schöner Regelmäßigkeit auf den Hinterkopf.
»Wieso macht er das immer? Ich hab doch nichts getan«, klagte ich Josua gegenüber beim Tee.
»Er schlägt dich nicht, um dich zu strafen, er schlägt dich, um dich im Augenblick zu halten.«
»Na, jetzt bin ich genau in diesem Augenblick, und im Augenblick würde ich ihm am liebsten die Scheiße aus dem Leib prügeln.«
»Das meinst du nicht wirklich.«
»Ach nein? Soll ich etwa die Scheiße sein wollen, die ich ihm aus dem Leib prügeln möchte?«
»Ja, Biff«, sagte Josua feierlich. »Du musst die Scheiße sein.«
Aber er konnte nicht ernst bleiben und fing an zu glucksen, als er seinen Tee trank, bis ihm die heiße Flüssigkeit aus seinen Nasenlöchern spritzte und er einen Lachkrampf bekam. Auch alle anderen Mönche, die offenbar gelauscht hatten, fingen an zu kichern. Ein paar von ihnen kugelten am Boden herum und hielten sich die Seiten.
Es ist sehr schwierig, wütend zu bleiben, wenn ein ganzer Raum voll kahler Männer in orangenfarbenen Roben zu giggeln anfängt. Buddhismus.
Kaspar ließ uns zwei Monate warten, bis wir mit auf diese besondere Meditationswallfahrt gehen durften, und so war es tiefster Winter, als wir den Gewaltmarsch antraten. In den Bergen lag der Schnee so hoch, dass wir uns jeden Morgen vor dem Training buchstäblich einen Tunnel zum Klosterhof graben mussten. Bevor wir anfangen durften, mussten Josua und ich den ganzen Schnee vom Hof schaufeln, was bedeutete, dass es an manchen Tagen schon Nachmittag wurde, bis wir mit den Übungen beginnen konnten. An anderen Tagen peitschte der Wind dermaßen hart aus den Bergen herab, dass man kaum die Hand vor Augen sah, und Kaspar dachte sich Übungen aus, die wir drinnen absolvieren konnten.
Josua und ich bekamen unsere Decken nicht zurück, und so zitterte ich mich jeden Abend in den Schlaf. Obwohl die hohen Fenster verrammelt waren und Kohlepfannen in unseren Kammern brannten, gab es doch in diesem Winter nichts, was auch nur annähernd physische Bequemlichkeit geboten hätte. Zu meiner Erleichterung blieben auch die anderen Mönche von der Kälte nicht unberührt, und mir fiel auf, dass es beim Frühstück die allgemein gebilligte Körperhaltung war, seinen ganzen Körper um die dampfend heiße Tasse Tee zu schlingen, damit auch nicht das kleinste bisschen der kostbaren Wärme entkommen konnte. Jemand, der in den Speisesaal kam, hätte glauben können, er stolpere über einen dampfenden Acker riesengroßer Kürbisse. Wenigstens schienen die anderen, einschließlich Josua, während ihrer Meditation etwas Erleichterung von der Kälte zu finden, indem sie, wie man mir erklärte, einen Zustand erreichten, in welchem sie tatsächlich ihre eigene Wärme herstellen konnten. Ich musste in dieser Hinsicht noch lernen. Manchmal überlegte ich schon, ob ich mich in den hinteren Teil des Tempels verkriechen sollte, wo die Höhle enger wurde und Hunderte pelziger Fledermäuse in einer großen, wimmelnden Masse aus Fell und Sehnen an der Decke überwinterten. Es mochte vielleicht grässlich stinken, aber es wäre warm.
Als schließlich der Tag kam, unsere Wallfahrt anzutreten, war ich der Herstellung meiner eigenen Wärme nicht näher als am Anfang, und so erleichterte es mich sehr, als Kaspar fünf von uns zu einem Schrank führte und an jeden Hosen und Stiefel aus Yakwolle verteilte. »Leben heißt Leiden«, sagte Kaspar, als er Josua seine Hosen aushändigte, »aber es ist ratsamer, es auf gesunden Beinen hinter sich zu bringen.« Kurz nach
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