Die Bibel nach Biff
Sonnenaufgang brachen wir auf, an einem kristallklaren Morgen, nach einer Nacht, in der schneidender Wind viel Schnee am Fuß des Berges verweht hatte. Kaspar führte fünf von uns den Berg hinab ins Dorf. Manchmal stapften wir durch hüfthohen Schnee, dann wieder sprangen wir über kahlen Fels, was unser Training auf den Pfählen um einiges sinnvoller erscheinen ließ, als ich je für möglich gehalten hatte. Am Berghang von einem Stein zu rutschen, hätte einen Sturz in verschneite Schluchten zur Folge gehabt, wo man dann unter zwanzig Meter tiefem Schnee erstickt wäre.
Die Dorfbewohner empfingen uns feierlich, traten vor ihre Häuser aus Stein und Soden, gaben Reis und Wurzeln in unsere Schalen, läuteten kleine Messingglöckchen und stießen uns zu Ehren ins Yakhorn, bevor sie sich eilig wieder an ihre Feuerstellen verkrochen und die Türen gegen die Kälte verrammelten. Es war festlich, aber kurz. Kaspar führte uns zum Haus jener zahnlosen Alten, der Josua und ich vor so langer Zeit begegnet waren, und wir alle betteten uns im Stroh ihrer kleinen Scheune zwischen ihren Ziegen und zwei Yaks.
Als die anderen eingeschlafen waren, schlich ich mich auf der Suche nach etwas Essbarem ins Haus der alten Frau. Es war ein kleines Steinhaus mit zwei Kammern. Die vordere war trübe von einem einzigen Fenster erhellt. Man hatte ein gegerbtes Tierfell davor gespannt, welches das Licht des vollen Mondes gelblich schimmernd hereinließ. Ich konnte nur Umrisse erkennen, nicht eigentlich Gegenstände, und tastete mich durch den Raum, bis meine Hand etwas berührte, bei dem es sich um einen Beutel Rüben zu handeln schien. Ich nahm eine der knorrigen Wurzeln aus dem Beutel, wischte mit der Hand den Dreck ab, dann grub ich meine Zähne hinein und mampfte selig einen ganzen Mund voll knackigen, erdigen Gemüses. Bis dahin hatte ich mir nie viel aus Rüben gemacht, aber eben hatte ich mich entschlossen, dort sitzen zu bleiben, bis ich den Inhalt dieses Beutels meinem Magen einverleibt hatte, als ich aus der anderen Kammer ein Geräusch vernahm.
Ich hörte auf zu kauen und lauschte. Plötzlich sah ich in der Tür zwischen den beiden Kammern jemanden stehen. Ich holte Luft und hielt sie an. Dann hörte ich die Stimme der Alten, die mit seltsamem Akzent Chinesisch sprach: »Einem Menschen oder Menschengleichen das Leben zu nehmen. Etwas zu nehmen, was einem nicht gegeben ist. Zu behaupten, übermenschliche Zustände erreicht zu haben.«
Ich war langsam, aber plötzlich wurde mir bewusst, dass die alte Frau die Regeln rezitierte, für deren Missachtung ein Mönch aus dem Kloster verstoßen wurde. Als sie in das matte Licht am Fenster trat, sagte sie: »Mit niemandem Geschlechtsverkehr zu haben, nicht mal mit einem Tier.« In diesem Augenblick merkte ich, dass die zahnlose Alte splitterfasernackt war. Eine Ladung durchgekauter Rüben fiel mir aus dem Mund und kleckerte auf meine Robe. Die alte Frau stand nun ganz nah, streckte eine Hand aus, wollte - wie ich glaubte - den Klumpen auffangen, doch packte sie stattdessen das, was unter meiner Robe steckte.
»Besitzt du übermenschliche Kräfte?«, sagte die alte Frau und zupfte an meiner Männlichkeit, die zu meinem Erstaunen nickte.
Ich muss an dieser Stelle sagen, dass es inzwischen zwei Jahre her war, seit wir Balthasars Festung hinter uns gelassen hatten, und weitere sechs Monate vorher war der Dämon über uns gekommen und hatte alle Mädchen - bis auf Wonne - getötet und damit meinen steten Vorrat an sexuellen Gespielinnen drastisch zusammengestrichen. Ich möchte hier zu Protokoll geben, dass ich mich standfest an die Regeln des Klosters gehalten und nur jene nächtlichen Ausscheidungen zugelassen hatte, die beim Träumen vorkommen (wenn ich auch ziemlich gut darin geworden war, meine Träume in diese Richtung zu lenken, so dass mentale Disziplin und Meditation nicht gänzlich sinnlos waren). Ich befand mich nun also in einem Zustand geschwächten Widerstandes, als mich die alte Frau, so ledern und zahnlos sie auch sein mochte, mit Drohungen und Einschüchterungen dazu zwang, mit ihr zu vollführen, was die Chinesen als den Verbotenen Affentanz bezeichnen. Fünfmal.
Man stelle sich meinen Verdruss vor, als mich der Mann, der die Welt retten sollte, am Morgen mit einem krummen Auswuchs von chinesischem Vettelfleisch vorfand, das oralerweise an meiner fleischigen Pagode ausfahrbarer Freude befestigt war, während ich noch in transzendenter, rübenverdauender Unendlichkeit vor
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