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Die Bibel nach Biff

Die Bibel nach Biff

Titel: Die Bibel nach Biff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Reis auf dem Markt und machten uns auf ins Land der Tamilen. Wir folgten dem Ganges südwärts, bis wir ans Meer kamen, wo Josua und ich Kalis Blut von unseren
    Leibern wuschen.
    Wir saßen am Strand, ließen uns von der Sonne trocknen und zupften Pech aus unserer Brustbehaarung.
    »Weißt du, Josh«, sagte ich, während ich mit einem besonders widerspenstigen Klumpen Teer rang, der in meiner Achselhöhle klebte, »als du diese Kinder vom Tempelplatz geführt hast und sie so klein und schwach waren, sich aber keines zu fürchten schien ... also, das war wirklich herzergreifend.«
    »Ich liebe eben alle Kinder dieser Welt, weißt du?«
    »Wirklich?«
    Er nickte. »Grün und gelb, schwarz und weiß.«
    »Gut zu wissen ... Moment, grün?«
    »Nein, grün nicht. Ich hab dich nur verarscht.«
     
    22

    Wie sich herausstellte, war das Land der Tamilen kein kleiner Winkel im Süden Indiens, sondern die gesamte südliche Halbinsel, etwa fünf Mal so groß wie Israel. Also war die Suche nach Melchior in etwa so, als würde man eines Tages nach Jerusalem hineinspazieren und sagen: »He, ich suche hier einen Juden. Hat ihn jemand gesehen?« Für uns sprach, dass wir Melchiors Beruf kannten. Er lebte in einiger Abgeschiedenheit als asketischer Heiliger, irgendwo an der Küste, und muss, wie sein Bruder Kaspar, einst ein Prinzensohn gewesen sein. Wir fanden Hunderte heiliger Männer oder Yogis, von denen die meisten unter größten Entsagungen in Wäldern oder in Höhlen wohnten, und für gewöhnlich verrenkten sie ihre Gliedmaßen auf unfassbare Weise. So etwas sah ich zum ersten Mal bei einem Yogi, der an einem Hang mit Blick auf ein kleines Fischerdorf lebte.
    Er hatte seine Füße unter die Schulter geklemmt, und der Kopf schien am falschen Ende seines Torsos festzusitzen.
    »Josh, sieh nur! Der Typ versucht, sich an den Eiern zu lecken! Genau wie Bartholomäus, der Dorftrottel. Das sind meine Leute, Josh. Das sind meine Leute. Ich habe meine Heimat gefunden.«
    Na ja, ich hatte nicht wirklich meine Heimat gefunden. Der Typ übte sich nur in einer gewissen spirituellen Disziplin (genau das bedeutet »Yoga« nämlich auf Sanskrit: Disziplin), und er wollte es mir nicht beibringen, weil meine Absichten nicht rein waren oder irgend so ein Quatsch. Jedenfalls war er nicht Melchior. Sechs Monate und den Rest unseres Geldes mussten wir einsetzen, und beide begingen wir unseren fünfundzwanzigsten Geburtstag, bis wir Melchior ganz entspannt in einer flachen, steinernen Nische eines Kliffs mit Blick aufs Meer vorfanden. Möwen brüteten zu seinen Füßen.
    Er schien die haarigere Ausgabe seines Bruders, eher zierlich, etwa sechzig Jahre alt, mit einem Kastenzeichen auf der Stirn. Haare und Bart waren lang und weiß, von nur wenigen schwarzen Strähnen durchzogen, und er hatte ausdrucksvolle, dunkle Augen, in denen kein Weiß zu sein schien. Er trug nur einen Lendenschurz und war dürr wie die Unberührbaren, die wir in Kalighat gesehen hatten.
    Josua und ich klammerten uns an die Klippen, während sich der Guru aus dem menschlichen Knoten löste, in den er sich verwickelt hatte. Es war ein langsamer Vorgang, und wir taten, als sähen wir uns die Möwen an und freuten uns am Ausblick, um den heiligen Mann nicht zu kränken, indem wir ungeduldig wirkten. Als er schließlich eine Haltung einnahm, in der er nicht mehr aussah, als hätte ihn ein Ochsenkarren überfahren, sagte Josua: »Wir kommen aus Israel. Wir waren sechs Jahre bei Eurem Bruder Kaspar im Kloster. Ich bin ...«
    »Ich weiß, wer du bist«, sagte Melchior. Seine Stimme wirkte melodisch, und jeder seiner Sätze klang, als rezitierte er ein Gedicht. »Ich erkenne dich wieder, von damals, als ich dich in Bethlehem gesehen habe.«
    »Wirklich?«
    »Das Ich eines Menschen ändert sich nicht, nur sein Körper. Wie ich sehe, bist du aus deinen Windeln herausgewachsen.«
    »Ja, schon seit einiger Zeit.«
    »Schläfst du nicht mehr in dieser Krippe?«
    »Nein.«
    »An manchen Tagen wünsche ich mir eine hübsche Krippe, etwas Stroh, vielleicht eine Decke. Nicht, dass ich - wie alle anderen, die auf dem Pfad des Geistes wandeln - solchen Luxus brauchte, aber trotzdem.«
    »Ich bin gekommen, um von Euch zu lernen«, sagte Josua.
    »Ich soll meinem Volk ein Bodhisattva sein und bin mir nicht sicher, wie ich das anstellen soll.«
    »Er ist der Messias«, sagte ich hilfsbereit. »Ihr wisst schon, der Messias. Sohn Gottes.«
    »Ja, Gottes Sohn«, sagte Josua.
    »Ja«, sagte ich, »Ja«,

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