Die Bibel Verstehen
dann wird die Liebe zur Frau möglich und zu einer Quelle des Segens für das Ehepaar. Die Galle steht für Aggression. Der Sohn streicht dem Vater die Galle auf die Augen. Diese fangen an zu brennen. Aber die weißen Flecken fallen ab und der Vater kann wieder sehen. Die Aggression ist die Kraft, sich innerlich vom Vater zu lösen. Erst wenn Vater und Sohn in eine gesunde Distanz kommen, können sie einander achten und lieben – das ist immer so …
Rafael ist der Engel der Heilung. Es ist eine tröstliche Botschaft, die uns das Buch Tobit schenkt. Gott schickt uns seinen Engel, dass er uns begleitet. Der Engel heilt unsere Beziehung zu den Eltern. Er begleitet uns auch auf dem Weg der Ehe und wacht darüber, dass sich in unsere Liebe nicht Besitzansprüche und Hassgefühle mischen.
Der Schutzengel, der uns auf dem Weg vor Gefahren schützt, ist auch heute noch für viele ein tröstliches Bild. Den Eltern schenkt es Vertrauen, die Kinder ziehen zu lassen. Sie wissen sie in Begleitung eines guten Engels. Und uns bewahrt es davor, allzu ängstlich unseren Weg zu gehen.
12
JUDIT
Das Buch Judit ist eine Lehrschrift, die etwa um das Jahr 100 vor Christus in griechischer Sprache geschrieben wurde, um den Juden in der feindlichen Umwelt zu zeigen, worauf sie ihre Hoffnung setzen sollen.
Das Volk ist durch eine gottfeindliche Macht bedrängt. Judit, eine gottesfürchtige Witwe von schöner Gestalt, befreit das Volk aus der Bedrängnis. «Witwe» heißt, dass sie nur auf Gott ihre Hoffnung setzt, dass sie in Gott ihren Grund hat und nicht in einem Mann. Ihre Schönheit zeigt die innere Klarheit dieser Frau. Sie lebt gottgemäß. Darum ist sie schön. Diese Frau findet den Mut, zum mächtigen Feldherrn des feindlichen Heeres zu gehen. Sie geht allein, ohne Hilfe, nur im Vertrauen auf Gottes Beistand. Alle im Zelt des Holofernes sind von der Schönheit Judits entzückt.
Judit bereitet sich auf ihre Tat vor, indem sie sich auch im feindlichen Lager genau an die Reinigungsrituale und Essensgesetze hält. Als Holofernes sie zum Gelage einlädt, sagt sie zu. Doch während Holofernes voller Freude, mit ihr schlafen zu können, sich mit Wein betrinkt, bleibt sie nüchtern. Holofernes sinkt ermattet auf sein Bett. Da nimmt sie sein Schwert und schlägt ihm den Kopf ab. Mit dem Kopf als Siegesbeute kehrt sie in die Stadtzurück. Der Hohepriester und die Ältesten jubeln und sprechen zu ihr die Worte, die die christliche Liturgie später auf Maria anwenden wird: «Du bist der Stolz Jerusalems, du bist die große Freude Israels und der große Ruhm unseres Volkes» (Jdt 15,9). Die Frauen kommen, um Judit als eine der Ihren zu ehren. Gott hat in Judit alle Frauen aufgerichtet und ihnen gezeigt, dass durch sie dem Volk Rettung und Heil zuteil werden kann. Judit gibt den Dank an Gott weiter: «Herr, groß und herrlich bist du, wunderbar an Kraft, unüberwindlich!» (Jdt 16,13).
Das Buch Judit ist spannend zu lesen. Doch es geht nicht um das kriegerische Milieu, das uns in Bann zieht. Es geht darum, dass Gott einer Frau, die als Witwe eigentlich rechtlos ist, die Kraft schenkt, das ganze Volk zu retten. Nicht das Vertrauen auf die eigene Kraft, sondern das Vertrauen auf Gott befähigt – symbolisch – zu solchem Tun. Judit wird zum Vorbild Marias, die sich ebenso Gott zur Verfügung stellt: Während der Knecht Israel sich Gott gegenüber verschließt, öffnet sich Maria als die Magd des Herrn dem Wort Gottes und wird von ihm schwanger.
In Judit und Maria wird sichtbar, dass Gott gerade das scheinbar Schwache nimmt, um Großes zu wirken. Die Frau, die auf Gott vertraut, beschämt die vielen Männer, die ihre Zuflucht zu ihrer eigenen Stärke und zur Macht ihrer Waffen nehmen – eine tiefgründige Symbolgeschichte ohne Zeit.
13
ESTER
Ester, die Pflegetochter des Juden Mordechai, wird zur Retterin Israels bei einem Komplott, das Haman, der Judenhasser, inszeniert hat. Der Perserkönig Artaxerxes nimmt die Jüdin Ester zur Frau und setzt sie als Königin ein. So kann sie verhindern, dass die Juden ausgerottet werden. Ester ist für viele Juden in der Verfolgung zum Zeichen der Hoffnung geworden, dass Gott dem Einzelnen beisteht und ihn dazu befähigt, seinem Volk zum Segen zu werden. Das Gebet der Ester können viele Juden, unter ihnen Edith Stein, mit ganzem Herzen nachsprechen: «Hilf mir, die ich einsam bin und keine Hilfe habe außer dir!» (Ester 4,17l). Die Juden wurden gerettet und feiern seither das Purimfest. Das
Weitere Kostenlose Bücher