Die Bibel
Glaubenswahrheiten, auch nicht, wie Immanuel Kant meinte, letztlich ein anderes Wort für Vernunft. Sondern die freiwillige Unterordnung unter Gottes Willen und Gottes Gesetz. Und das kann, wie wir gesehen haben, Lebensgefahr bedeuten.
Wer sich trotzdem darauf einlässt, erlebt das Paradox der Freiheit: Je enger ich mich an Gott binde, desto ungebundener stehe ich der Welt gegenüber. Die Fremdbestimmung durch Gott im Himmel ermöglicht die Selbstbestimmung des Menschen auf Erden. Gottes freie Diener sind von keiner Macht mehr dienstbar zu machen. Und: Es gibt nichts auf der Welt, was sie noch fürchten müssten. Glauben macht frei.
In Abraham hat Gott seinen ersten freien Diener gefunden. Den archimedischen Punkt, um die Welt aus den Angeln zu heben, hatte Gott damit aber noch nicht. Ein freier Mensch allein reicht dafür nicht. Für das, was Gott vorhat, braucht er ein ganzes Volk von Freien. Wie also wird Gott jetzt von Abraham über Isaak zu seinem Volk kommen?
Abrahams und Isaaks Glaube müsste nun, wie eine Erbinformation, von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aber jede Generation soll immer wieder aufs Neue freiwillig diesen Glauben annehmen. Gott kann daher nicht, was die einfachste Lösung wäre, den Menschen eine Art Glaubens-Gen einprogrammieren. Gott kann also nur hoffen, dass die Weitergabe in allerFreiheit gelingt. Bei Abraham und Isaak hat es funktioniert. Aber nun muss es auch bei Isaak und dessen Kindern wieder gelingen und bei seinen Enkeln und so fort.
Es ist ein höchst waghalsiges Experiment, das sich Gott da ausgedacht hat. Tatsächlich wird er jetzt die nächsten Jahrhunderte damit verbringen, die wacklige Konstruktion vorm Einsturz zu bewahren.
Bei Isaak geht’s schon los. Er heiratet Rebekka, aber die hat ein altbekanntes Problem. Sie ist unfruchtbar. Schon zum zweiten Mal droht die Sache Gottes an der Unfruchtbarkeit einer Frau zu scheitern , und es wird nicht das letzte Mal sein. Später erzählt die Bibel von der unfruchtbaren Hanna und noch später von der kinderlosen Elisabeth.
Elisabeth ist die Mutter von Johannes dem Täufer, dem Wegbereiter Jesu, Hanna die Mutter Samuels, des ersten Propheten Israels und Wegbereiter Davids. Hanna wird schwanger, nachdem sie gelobt, wenn ihr ein Sohn geschenkt werde, solle dieser Gott gehören. Elisabeth wird es nach jahrzehntelangem Gebet ihres Ehemanns. Rebekka wird es, nachdem Isaak Gott um Nachkommen angefleht hatte.
Sie bekommt Zwillinge, Jakob und Esau. Einer der beiden, Jakob, wird zum dritten Stammvater Israels und des jüdisch-christlichen Glaubens.
Solche Geschichten über Spätgebärende, die ihre Kinderwünsche schon längst begraben haben, zeigen, dass Gottes Vorhaben am seidenen Faden hängt. Stets ist das Volk Gottes vom Aussterben bedroht wegen Unfruchtbarkeit – weil der Glaube seiner Mitglieder keine Früchte trägt. Immerzu resignieren die Menschen, und dann kommt es darauf an, dass wenigstens einer übrig bleibt, der nie aufgibt.
Eine neue Welt aus Frieden und Freiheit – das ist nichts, was der Mensch aus eigener Kraft erschaffen kann, dazu bedarf es deswundersamen Eingreifens Gottes. Dabei ereignen sich die seltsamsten Geschichten.
Schon in Rebekkas Mutterleib beginnen sie. Isaaks Frau spürt heftige Stöße in ihrem Bauch und erschrickt darüber. Es sind die Zwillinge Jakob und Esau, deren Konflikte sich hier bereits ankündigen. Bei der Geburt sind sie ineinander verkeilt. Esau ist als Erster da, aber seine Ferse wird von Jakobs Hand umklammert, so, als hätten die beiden schon im Mutterleib darum gekämpft, wer das Erstgeburtsrecht erwirbt.
Esau kommt rötlich und behaart auf die Welt, Jakob dagegen wirkt wohl wie ein normales Baby, denn darüber schweigt die Bibel. Aus Esau wird ein Jäger, ein kräftiger Naturbursche,
Jakob aber war ein sittsamer Mann, der bei den Zelten blieb. Und Isaak hatte den Esau lieb, weil ihm das Wildbret mundete; Rebekka aber hatte den Jakob lieb
. Wächst da eine Rivalität wie zwischen Kain und Abel?
Es scheint ganz so. Als Esau eines Tages müde und hungrig von der Jagd zurückkehrt und Jakob zufällig gerade etwas gekocht hat, nutzt Jakob die Situation für sich aus: Er erklärt Esau, dieser solle ihm sein Erstgeburtsrecht überlassen, dann bekomme er zu essen. Und Esau lässt sich tatsächlich darauf ein. Für ein Linsengericht!
Geradezu kriminelle Energie zeigt Jakob aber, als er, unterstützt von seiner Mutter, am Sterbebett seines Vaters den Bruder Esau um den
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