Die Bibel
Gott mich behüten wird auf dem Weg, den ich gehe, und mir Brot zu essen geben wird und Kleider
anzuziehen, und mich wieder mit Frieden heim zu meinem Vater bringt, so soll der Herr mein Gott sein.
Statt sich für die Sache Gottes in Dienst nehmen zu lassen, spannt Jakob Gott für seine Zwecke ein. Gott wird sich Mühe geben müssen, um Jakobs Krämerseele zufrieden zu stellen, und wir wundern uns immer mehr über Gottes seltsame Wahl.
In Haran wird Jakob nun zwanzig Jahre dem Laban dienen. Zwischen beiden knirscht es immer wieder. Laban, der in der stärkeren Position ist, trickst Jakob aus, wo er nur kann. Am Ende von Jakobs Dienstzeit kommt es mit Laban zum Streit darüber, wie viele Rinder, Ziegen, Schafe, Esel, Widder und Kamele Jakob mitnehmen darf. Sie handeln und feilschen, einigen sich am Ende, und Jakob kann mit seinen Frauen, Kindern und Mägden, reichlich versehen mit Gütern und einer großen Herde, endlich die Heimreise antreten.
Aber nun wartet Esau. Der hat nichts vergessen und zieht Jakob mit vierhundert Männern entgegen. Um Esau zu besänftigen, schickt Jakob ihm einen Teil seiner Herde als Geschenk, beginnt zu beten. Da geschieht wieder eine seltsame Geschichte.
Jakob hat seine Frauen, Kinder und das ganze Gesinde vorausgeschickt, und er bleibt in der Nacht allein zurück am Fluss Jabbok, wo er plötzlich in einen Ringkampf mit einem fremden Mann verwickelt wird. Beide sind ungefähr gleich stark, und so dauert der Kampf bis zur Morgenröte. Als der Fremde merkt, dass er Jakob nicht bezwingen kann, schlägt er ihn derart auf das Hüftgelenk, dass es verrenkt wird. Danach will der Fremde gehen, aber Jakob sagt, er lasse ihn nicht gehen, es sei denn, er segne ihn.
Der Fremde fragt: «Was ist dein Name?» Jakob nennt seinen Namen. Darauf der Fremde: «Dein Name soll nicht mehr Jakob sein, sondern Israel, denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und hast gewonnen.» Und tatsächlich segnet er Jakob, und dieser sagt: «Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden.»
Diese merkwürdige Geschichte macht uns nun vollends ratlos. Ergibt sie irgendeinen Sinn?
Aus Jakob wird Israel
Die Geschichten des Alten Testaments gleichen Bäumen, die aus kleinen Samenkörnern gewachsen sind. Am Anfang der großen Jakobsgeschichte stand vielleicht nur ein kleiner Spott, wie es ihn zwischen Rivalen schon immer gegeben hat. Auch heute noch: Die Kölner spotten über die Düsseldorfer und umgekehrt, die Mainzer über die Wiesbadener, die Ossis über die Wessis.
In der Welt Isaaks und Jakobs lebten sesshafte Bauern und Nomaden, Hirten und Jäger, die Isaak-Sippe und andere Sippen. Konflikte, die zwischen solchen Gruppen unvermeidlich sind, bilden wahrscheinlich den Urstoff für die Geschichte von Jakob und Esau. Die karikierende Beschreibung Esaus als rötliches Baby, das behaart auf die Welt kommt, sich zu einem tumben Tor entwickelt, der für ein Linsengericht sein Erstgeburtsrecht verkauft, deutet darauf hin, dass sich hier Hirten einen Schmäh über die in ihren Augen primitiven Jäger ausgedacht haben.
Die Jäger werden daraufhin Jakob als Muttersöhnchen bespöttelt haben, und wahrscheinlich stammt von ihnen das Detail, dass sich Jakob bei der Geburt Esaus Ferse gekrallt hatte. Vielleicht saßen Hirten und Jäger am Lagerfeuer beieinander, wo man sich solche Bösartigkeiten und zur Unterhaltung auch noch andere Geschichten erzählte. Man musste sich seine Krimis noch selbst ausdenken. Etwa die Geschichte von jenem Bürschchen, das mit Hilfe seiner Mutter den Bruder um den väterlichen Segen bringt.
So eine Geschichte schreit nach Fortsetzung. Was wird aus den beiden Brüdern? Die Sache spinnt sich wie von selber fort: Der betrügerischeBruder flieht, muss zwanzig Jahre Frondienst leisten in der Fremde, wo er zum betrogenen Betrüger wird und am Ende reumütig zurückkehren möchte in seine Heimat.
Derlei Geschichten waren über Jahrhunderte in Umlauf und bildeten das Rohmaterial, das später, zur Zeit König Davids (um 1000 vor Christus), und noch später, im babylonischen Exil (um 600 vor Christus), von Israels Theologen zu Literatur veredelt wurde. Da wird dann nicht mehr schlicht erzählt, dass Rebekka über die Stöße in ihrem Bauch erschrak, sondern die Theologen ergänzen, Rebekka habe gefragt, was aus ihr werden solle. Und habe von Gott die Antwort erhalten:
Zwei Völker sind in deinem Leib, zwei Stämme trennen sich in deinem Schoß. Ein Stamm ist dem
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