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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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und Katastrophen produziert, die man als Geschichte bezeichnet, genügt nicht. Man muss die Einsicht auch leben. Und das ist immer der Kampf des eigenen Interesses gegen Gottes Interesse. Dafür braucht es den Glauben.
    Zwei, drei Jahrhunderte lang gelingt es Israel, sich zu überwinden. Aber das Begehren, zu sein wie die anderen, ist immer da. Es finden sich auch immer «Sachzwänge», die das Begehren rechtfertigen, und beim Wunsch nach einem König setzt sich erstmals so ein Sachzwang durch.
    Israel, die Gesellschaft der Freien und Gleichen, hat für bestimmte Führungsaufgaben (Rechtsprechung, Organisation, Landesverteidigung) Richter berufen. Einer der Letzten, die so ein Amt innehaben, ist Samuel. Als er alt wird, setzt er seine Söhne als Richter über Israel ein, aber diese wandeln nicht auf seinem Weg, sondern nehmen Geschenke und beugen das Recht. Darin sehen die Israeliten einen willkommenen Anlass, wieder einmal ihr Begehren vorzutragen: Setze einen König über uns, der uns richten soll nach der Weise aller Heidenvölker.
    Schon einmal hatte das Volk versucht, einen König zu bekommen. Gideon, ein Richter, der vor Samuel lebte, hätte es werden sollen, aber der konnte sich noch widersetzen: Nicht ich will über euch herrschen, auch mein Sohn soll nicht über euch herrschen, Gott soll über euch herrschen.
    Samuel gelingt dies nicht mehr, denn ein weiterer, noch stärkerer Grund für den Ruf nach einem König taucht auf: die Schwäche der Landesverteidigung. Ruft ein bedrohter Stamm die anderen zu Hilfe, helfen nur wenige, denn es gibt keine Bündnispflicht. Das geht eine Weile gut, bis die militärisch straff organisierten Philister, ein Nachbarvolk Israels, zu einer tödlichen Bedrohung Israels werden.
    Unter dieser Bedrohung zeigt sich, wie es in Wahrheit um Israel steht. Israel ist nicht mehr zu solidarischem Handeln fähig. Es gibt keine einzige Aktion, an der sich alle zwölf Stämme gleichzeitig beteiligen. Der Mangel an Solidarität zeigt den eigentlichen Mangel: Israel hat aufgehört zu glauben, dass Solidarität möglich ist. Israel kehrt zurück zur Weisheit der Heidenvölker: Zum guten Handeln ist der Mensch nur unter Zwang bereit. Israel hat aufgehört zu glauben.
    Aber dieser Wahrheit will Israel nicht ins Gesicht sehen. Deshalb richtet es seine ganze Aufmerksamkeit auf die Bedrohung der Philister, tut so, als sei diese die Ursache der Probleme Israels. Weil Israel der Lösung Gottes nicht mehr glaubt, verfällt es auf die Ersatzlösung des Königtums. Dafür kommen die Philister wie gerufen. Deren Bedrohung begründet den Wunsch, sich von der Volk-Gottes-Idee zu verabschieden und ein normaler Staat zu werden.
    Allerdings wächst dagegen eine Opposition, die geradezu fundamentalistisch beharrt, dass in Israel niemals Menschen über Menschen herrschen dürften. Samuel ist ein Sprecher dieser Opposition und malt den «Realos» aus, wie sich Israel bis zur Unkenntlichkeit verändern werde, wenn es jetzt in den Schoß der Normalität der Heidenvölker zurückkehre.
    Samuel nennt dem Volk den Preis der Staatlichkeit:
Der König wird euch eure Söhne nehmen und sie für sich einsetzen, auf seinen Streitwagen und bei seiner Reiterei, und damit sie vor seinem Wagen herlaufen. Sie werden sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen müssen. Sie werden ihm Kriegswaffen und Wagengeräte anzufertigen haben. Eure besten Äcker, Weinberge und Ölbäume wird er nehmen und seinen Knechten geben, und eure Töchter wird er als Salbenmischerinnen, Köchinnen und Bäckerinnen verpflichten
. Davon lässt sich das Volk nicht abschrecken. Es will seinen König. Und es bekommt ihn, Saul.
    Israel wird ein Staat wie jeder andere und, unter Sauls Nachfolger David, zum Großreich. Schon bei Davids Sohn Salomo vereinigen sich Thron und Altarin einer einzigen Person, König Salomo ist zugleich der oberste Priester, und im ganzen Land wird fortan der Frondienst eingeführt. Das Volk, das ausgezogen war, um eine neue Gesellschaft zu etablieren, etabliert nun bei sich die alte Sklavenhaltergesellschaft.
    Die «Realpolitik» hat Einzug gehalten in Israel. Nicht nur die Klassengesellschaft, auch alles andere, was durch die Realisierung von Gottes Plan aus der Welt hätte verschwinden sollen, kehrt wieder:
Es gibt keine Treue und keine Liebe und keine Gotteserkenntnis im Land. Nein: Fluchen, Betrügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen! Sie haben Gewalttat begangen im Land, und Blutschuld hat sich an Blutschuld

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