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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Moment sitzen und lauschten dem Regen.
    »Das hört so schnell nicht auf«, meinte Henning und wollte die Tür öffnen. »Kommst du mit?«
    Katherina nickte. Sie sprangen aus dem Wagen und rannten zu der schweren Eichentür. Ein kleiner Vorsprung über dem Eingangsbereich gab ihnen Schutz, doch schon auf den wenigen Metern vom Auto hierher waren sie bis auf die Haut durchnässt worden. Henning drückte auf die Klingel, und sie hörten ein gedämpftes Läuten durch die Tür dringen. Sie warteten eine halbe Minute, dann klingelte Henning noch einmal. Dieses Mal länger. Katherina hoffte, dass Kortmann doch nicht zu Hause war, damit ihnen die Konfrontation erspart blieb und sie unbemerkt wieder verschwinden konnten.
    »Er ist sicher oben«, sagte Henning und hielt den Klingelknopf zehn Sekunden lang gedrückt. »Der soll bloß nicht glauben, dass wir gleich wieder fahren.«
    Drinnen war noch immer keine Reaktion zu bemerken, und Henning begann mit der bloßen Faust auf die Tür einzuhämmern.
    »Vielleicht ist er wirklich nicht zu Hause«, schlug Katherina vor. »Der Chauffeur kann ihn doch irgendwo abgesetzt haben, bevor er selbst zu Remer gefahren ist.«
    Henning schüttelte den Kopf.
    »Er ist drinnen«, sagte er. »Das spüre ich.« Er deutete in den Regen. »Komm, wir nehmen den Aufzug.«
    Er rannte wieder los, und Katherina folgte ihm widerwillig. Seite an Seite hasteten sie um das Haus herum zum Aufzug. Schon von weitem hörten sie das unerbittliche Trommeln des Regens auf der Metallkonstruktion. Sie waren nass bis auf die Knochen, bevor sie die Tür des Turms erreichten, die Henning rasch öffnete, damit sie ins Trockene kamen.
    »Verdammt, ist das ein Wetter!«, schimpfte Henning und
schüttelte wie ein nasser Hund den Kopf. Auf dem Boden sammelte sich in Pfützen das Wasser, das von ihren Kleidern tropfte.
    Drinnen war das Geräusch des Regens noch lauter, ein unablässiges Trommeln auf den Metallrumpf, das alles andere übertönte. Katherina erwartete jeden Augenblick, Kortmanns Stimme durch den Lautsprecher über der Tür zu hören, doch die Sprechanlage blieb stumm.
    Henning fand den Knopf, der den Fahrstuhl aktivierte. Die großen Zahnräder am Rand setzten sich in Bewegung und hoben die Plattform langsam an.
    »Was ist das denn?«, sagte Henning plötzlich.
    Katherina folgte seinem auf den Boden gerichteten Blick. Zuerst sah sie nicht, was er meinte, doch dann erkannte sie einen Schatten, der nicht von ihnen stammte. Der Anbau wurde durch eine Lampe in sieben bis acht Metern Höhe oben unter der Decke erhellt, zu der sie jetzt beide aufblickten.
    Direkt über sich sahen sie eine unförmige Silhouette, die den Schatten warf, konnten aber keine Details erkennen. Der Aufzug hob sich langsam weiter nach oben. Irgendetwas hing von der Decke des Schachts herab, und Katherina trat an den Rand der Aufzugplattform, um besser sehen zu können.
    »Oh nein«, rief sie, als sie erkannte, worum es sich handelte.
    Kortmanns lebloser Körper hing von der Decke wie ein Stück Fleisch, das man in einen teuren Anzug gesteckt hatte. »Verdammte Scheiße!«, rief Henning und trat neben Katherina.
    Der Körper kam unerbittlich näher, obgleich Henning verzweifelt alle Knöpfe drückte, die er finden konnte. Kortmanns dünne Beine glitten langsam vorbei, gefolgt von seinem Oberkörper, der einen seltsamen Winkel beschrieb. Das Gesicht war Katherina zugewandt. Sie musste schnell wegsehen, als es in ihre Augenhöhe kam. Kortmanns Augen waren weit aufgerissen und der Mund in einer angsterfüllten Fratze erstarrt.
    Als die Füße den Boden berührten, neigte der Körper sich
Katherina entgegen, die ihn panisch abwehrte, damit er nicht auf sie kippte. Er wog nichts, war aber vollkommen steif und kippte jetzt zu Henning hinüber, der auf der anderen Seite stand. Henning sprang beiseite und legte sich schützend eine Hand vor den Mund, als hätte der Leichnam eine ansteckende Krankheit. Langsam senkte sich der Körper auf den Boden des Fahrstuhls. Er war in einer verkrümmten Haltung erstarrt, wie das Opfer eines Vulkanausbruchs. Da sie weiter nach oben fuhren, legte sich das Seil, an dem Kortmann gehangen hatte, in langen Windungen wie Spaghetti auf seinen Körper.
    Mit einem Ruck hielt der Fahrstuhl an.
    Fast gleichzeitig verstummte der Regen, ebenso plötzlich, wie er eingesetzt hatte, und es wurde still im Turm. Katherina und Henning sahen sich an. Hennings Gesicht strahlte jetzt keine Wut mehr aus, sondern Angst, und auch

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