Die Bibliothek der Schatten Roman
und Handgriff, befand sich am Ende des Ganges.
Jon warf einen Blick durch die Luke, doch der Raum dahinter lag im Dunkeln. Trotzdem legte er das Ohr an die Tür und lauschte konzentriert. Als er nichts hörte, drückte er die Metallklinke nach unten und öffnete die Tür.
Der Raum war klein, etwa zwei Meter breit und fünf Meter lang. Die Wände waren mit hellem Holz verkleidet, und in der Mitte des Zimmers standen sich zwei große Lederstühle gegenüber. Sie hatten breite Armlehnen, und über den Rückenlehnen hingen Metallhelme, aus denen ein Wirrwarr von Kabeln kam. Jon folgte ihnen mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe. Sie sammelten sich in einem dicken Kabel, das
links neben den Stühlen in der Wand verschwand. Fast die gesamte Wand wurde von einem großen, verspiegelten Fenster eingenommen, hinter dem wahrscheinlich ein Raum lag, von dem aus man die Stühle im Blick hatte.
Jon drückte auf einen Schalter neben der Tür, und gleich darauf wurde der Raum von einer Neonröhre in kaltes Licht getaucht. Sie traten nacheinander ein. Kaum hatte Jon die Türschwelle überschritten, verschwand die Energie, als hätte jemand den Stecker gezogen. Der Reaktion der anderen war zu entnehmen, dass sie es ähnlich empfanden.
»Der Raum muss irgendwie abgeschirmt sein«, stellte Paw fest.
»Was ist das denn hier?«, fragte Katherina.
»Vielleicht ein elektrischer Stuhl?«, schlug Paw vor. »Als Lehrer hat man doch bestimmt mal das Bedürfnis, seine Schüler auf so ein Ding zu setzen.«
Jon beugte sich zur Glasscheibe vor und versuchte, einen Blick in den Nachbarraum zu werfen. Er erahnte eine Reihe roter und grüner Dioden und einen Tisch gleich hinter der Scheibe und eine Reihe von Computern an der hinteren Wand.
»Remer hat gesagt, er hätte die Ausrüstung, um unsere Fähigkeiten zu messen«, bemerkte Jon. »Vielleicht ist das diese Anlage hier.«
Katherina hielt sich einen Helm vors Gesicht und sah ihn sich genauer an.
»Offensichtlich«, sagte sie angewidert. »Die Abschirmung soll vermutlich verhindern, dass die Messungen durch die Energie hier unten gestört werden, wo auch immer sie herkommt.«
»Okay, ihr beiden Detektive, dann untersuchen wir doch mal, wo die Quelle ist«, sagte Paw und ging auf die Tür zu. »Ich will raus, ich krieg hier eine Gänsehaut.«
»Glaubst du noch immer, dass das eine harmlose Schule ist?«, fragte Katherina, bekam aber keine Antwort.
Draußen auf dem Gang spürten sie wieder die Vibration. Sie wurde stärker, je näher sie der Eichentür am Ende des Ganges kamen. Auch diese Tür war unverschlossen, so dass sie den Raum betreten konnten, den sie durch die Scheibe in der Zelle gesehen hatten. Hinter den Computern und Druckern und einem Tisch mit Papieren und leeren Kaffeebechern befand sich eine weitere Tür.
Jon stellte die Sporttasche auf den Boden und trat an den Tisch, um sich die Notizen genauer anzusehen.
Es handelte sich um Grafiken von Gehirnteilen und Tabellen mit Zahlenkolonnen, von denen einige mit Bleistift unterstrichen oder eingekreist waren. Am oberen Rand der Blätter waren Name und Alter der Testpersonen notiert. Den Unterlagen nach zu urteilen, handelte es sich bei den letzten Probanden um Testpersonen im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren. Auf einigen Blättern waren die Ergebnisse der aktuellen Stärke eingezeichnet, während auf den anderen das zu erwartende Potenzial der Testpersonen angegeben wurde.
»Es sieht so aus, als könnten sie auch das Potenzial von nicht-aktivierten Testpersonen messen«, stellte Jon fest.
»Vielleicht eine Art Aufnahmekriterium für die Schule?«, schlug Katherina vor. Sie stand schräg hinter ihm und schaute ihm über die Schulter. Paw blieb an der Tür stehen und spähte nervös den Gang hinunter.
»Möglich, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie sie das bewerkstelligen wollen, ohne dass die Eltern etwas mitbekommen«, sagte Jon.
Katherina zog die Schultern hoch.
»Manche Eltern willigen in alles ein, wenn sie glauben, ihren Sprösslingen damit einen Vorsprung zu verschaffen.«
»Wer weiß, ob die Eltern jemals die Wahrheit erfahren«, dachte Jon laut. »Es ist ja nicht gesagt, dass sie selber Lettori sind. Aber wie werden die Kinder aufgeklärt? Werden die Eltern
eingeweiht, oder müssen die Kinder ihre Mütter und Väter anlügen?« Er schüttelte den Kopf. »Was kann so etwas bei einem Kind anrichten?«
»Das klingt nicht gut«, sagte Katherina. »Sicher machen sie noch mehr Tests als nur diesen, um
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