Die Bibliothek der Schatten Roman
und sie zögerte einen Moment, ehe sie zustimmend nickte.
»Aber wir machen es auf unsere Art, Paw«, insistierte sie.
»Ja, klar«, erwiderte Paw gut gelaunt. »Ich werde mich schon ordentlich benehmen.«
Sie hatten sich für die folgende Nacht um drei Uhr verabredet.
Jon und Katherina fuhren in ihre Wohnungen, um zu holen, was sie ihrer Meinung nach brauchten. Danach sammelten sie Paw am Triangelplatz ein, von wo aus sie weiter in das Diplomatenviertel fuhren. Keiner von ihnen sagte etwas.
Etwa 100 Meter von der Schule entfernt parkte Jon den
Wagen. Sie stiegen aus. Der Himmel war wolkenlos und sternenklar. Jons dunkler Trainingsanzug hielt die nächtliche Kälte nicht ab, und er bereute bereits, sich nicht wärmer angezogen zu haben. Aber außer seinen Anzügen war das die einzige dunkle Kleidung, die er besaß.
Er hatte eine Sporttasche mit verschiedenen Werkzeugen aus der Werkstatt im Keller des Libri di Luca dabei. Da ihm jede praktische Erfahrung mit Einbrüchen fehlte, hatte er eine große Auswahl eingepackt. Paw war ganz in Schwarz gekleidet und mit einer Brechstange in einer weißen Plastiktüte ausgerüstet. Jon vermutete, dass dem jungen Mann diese Art von Aktivitäten nicht ganz fremd war. Katherina hatte Jeans angezogen, Gummistiefel und eine dunkle Windjacke. Das rote Haar hatte sie im Nacken zu einem Knoten hochgesteckt und eine schwarze Schirmmütze darübergezogen.
Sie spazierten ruhig über den Bürgersteig. Die Häuser des Viertels lagen im Dunkeln. Die meisten waren große, pompöse Villen, in denen die Botschaften kleinerer Länder untergebracht waren. Um diese Tageszeit war die Gegend wie ausgestorben, fast gespenstisch, und bei den wenigen parkenden Autos handelte es sich wahrscheinlich um Anwohner aus umliegenden Straßen, die mit Parkplatzproblemen zu kämpfen hatten.
Die Straßenbeleuchtung war spärlich, so dass sie die Hälfte der Strecke zum Tor im Dunkeln gingen.
Jon drehte den Handgriff des Eisentors herum und schob es auf. Er war erstaunt und zugleich erleichtert, dass es nicht abgeschlossen war. Auch wenn niemand in der Nähe war, wäre es wohl nicht so günstig gewesen, wenn sie mitten in der Nacht über einen hohen Eisenzaun geklettert wären. Sie huschten auf das Grundstück bis in den Schatten einer Hecke links vom Eingang. Katherina kam als Letzte. Sie blieben einen Augenblick stehen, um sich zu orientieren.
Rechts vom Tor verlief eine hohe Mauer, die im Dunkel
hinter dem Gebäude verschwand. Die Hecke, vor der sie standen, zog sich parallel zum Bürgersteig über die gesamte Breite des Grundstückes. An ihrem Ende war eine weitere Mauer zu erahnen, etwa drei Meter hoch, die das Nachbarhaus abschirmte. Vor ihnen lag der Schulhof mit dem Spielplatz und den mit Kreide auf den Boden gemalten Himmel-und-Hölle-Feldern.
Das rote Backsteingebäude mit den weißen Fensterrahmen und Schieferziegeln ragte zwei Stockwerke in den Nachthimmel empor. In der Mitte führte eine breite Granitsteintreppe zu einer großen, soliden Tür. In der Tür waren kleine Fenster, die alle mit einem Gitter gesichert waren.
Nirgendwo im Gebäude brannte Licht.
»Merkt ihr das auch?«, flüsterte Paw. »Spürt ihr die Energie?«
Jon hielt die Luft an und versuchte, die Kraft zu erspüren, von der Paw sprach.
»Nein, nichts«, flüsterte er zurück und fragte sich, ob Paw ihn auf den Arm nehmen wollte.
»Ich auch nicht«, fügte Katherina leise hinzu.
»Mh«, brummte Paw unzufrieden. »Da lang«, flüsterte er und zeigte zu einer Tordurchfahrt an der Ecke des Gebäudes.
Sie bewegten sich an der Mauer entlang zu der Durchfahrt, durch die sie auf die Rückseite des Gebäudes gelangten. Ein etwa fünf Meter breiter Rasenstreifen mit Büschen und einzelnen Obstbäumen bildete unmittelbar vor der Mauer einen kleinen Garten. Auf der Rückseite des Gebäudes gab es zwei Türen. Eine führte in eine Großküche, die andere über eine Treppe nach unten in den Keller.
Jon gab den anderen ein Zeichen, es an der Kellertür zu probieren. Paw ging ohne zu zögern die Stufen nach unten, während Katherina und Jon oben stehen blieben. Sie sahen, wie er zuerst prüfend durch die Scheibe nach drinnen schaute und dann die Klinke nach unten drückte. Er zuckte zusammen,
als die Tür widerstandslos aufging, und sah die anderen überrascht an. Dann öffnete sich sein Mund zu einem breiten Lächeln, das in der Dunkelheit unheimlich weiß aussah.
Nun gingen auch Jon und Katherina die Stufen zum triumphierenden
Weitere Kostenlose Bücher