Die Bibliothek der Schatten Roman
Paw hinunter.
»Hereinspaziert«, flüsterte er munter und hielt ihnen die Tür auf.
Paw folgte ihnen in die Dunkelheit und schloss die Tür hinter sich. Jon griff in seine Sporttasche und kramte eine Taschenlampe heraus. Er richtete sie auf den Boden, ehe er sie anknipste. Sie befanden sich in einem weiß getünchten Gang, von dem drei Türen in den Keller abzweigten. Die Scheiben der Eingangstür waren von innen mit Sperrholzplatten verkleidet, so dass man weder hinaus- noch hineinschauen konnte. Die Türen links und rechts waren angelehnt und mit WC-Symbolen gekennzeichnet, rechts für Jungs und links für Mädchen. Die dritte Tür am Ende des Ganges war geschlossen.
»Findet es noch jemand außer mir merkwürdig, dass die Tür nicht abgeschlossen war?«, flüsterte Katherina. Jon stimmte ihr zu.
In diesem Augenblick ging das Licht an. Es war so grell, dass sie die Augen zusammenkneifen mussten. Jon fuhr herum und sah Paw mit dem Finger auf dem Lichtschalter neben der Tür.
»Ist es so nicht besser?«, fragte Paw, ohne seine Stimme zu dämpfen, die zwischen den Wänden widerhallte.
Jon machte seine Taschenlampe aus und ging zu der Tür am Ende des Ganges, einer weißen Tür mit Messingklinke, die ebenfalls unverschlossen war. Er drückte sie vorsichtig auf, ehe er den Kopf in den nächsten Raum schob, der sich als weiterer Flur entpuppte. Offenbar erstreckte sich dieser Korridor über die gesamte Vorderfront des Gebäudes. An der Wand unter der Decke befanden sich in regelmäßigen Abständen Fenster, die das Licht der bleichen Sterne hereinließen. Die breitmaschigen
Gitter vor den Fenstern warfen Schatten auf die Wände und den Boden, die wie ein großes Spinnennetz aussahen.
Ohne die Tür weiter als nötig zu öffnen, schob Jon sich in den Flur und winkte die anderen hinter sich her. Paw kam als Letzter und machte die Tür hinter sich zu. Auf einer Seite zweigten weitere Türen vom Flur ab, und ganz am Ende führte eine Treppe nach oben.
»Merkt ihr immer noch nichts?«, fragte Paw ungeduldig.
Jon und Katherina antworteten beide, dass sie nichts spürten.
»In der Richtung ist es am stärksten«, erklärte Paw und zeigte in die der Treppe entgegengesetzte Richtung.
Jon machte seine Taschenlampe an und leuchtete in die Richtung, in die Paw zeigte. Am anderen Ende des Flures führte eine Treppe nach unten. Sie setzten sich in Bewegung, wobei ihnen Jon mit dem über den Boden huschenden Lichtkegel der Taschenlampe den Weg wies. Vor dem oberen Treppenabsatz befand sich ein schwarzes, offen stehendes Gitter.
»Das gefällt mir gar nicht«, murmelte Katherina und legte eine Hand um die mindestens zwei Zentimeter dicken Streben der schmiedeeisernen Gittertür. »Ist das nicht alles ein bisschen zu simpel?«
»Vielleicht haben sie ganz einfach nichts zu verbergen«, sagte Paw flapsig. »Was für Geheimnisse soll es in einer Schule schon geben?«
»Du behauptest doch, du würdest etwas Ungewöhnliches merken«, erinnerte Katherina ihn gereizt.
Jon gab den beiden ein Zeichen, leise zu sein, und leuchtete mit der Taschenlampe die Treppe hinunter.
»Bist du sicher, dass wir hier entlanggehen sollen?«, fragte er und leuchtete Paw ins Gesicht.
»Ja, das bin ich«, antwortete Paw und schob eine Hand zwischen den Lichtkegel und sein Gesicht. »Und ihr merkt wirklich
nichts? Die Energie kommt von da unten. Verlasst euch auf mich.«
»Wie empfindlich du auf einmal bist«, murmelte Katherina.
Jon richtete den Lichtkegel wieder auf die Stufen und ging weiter. Nach wenigen Metern machte die Treppe einen Knick. Unmittelbar davor spürte Jon das ganz besondere Zittern seiner Nackenhaare, das er auch bei seinem ersten Besuch in der Kellerbibliothek im Libri di Luca wahrgenommen hatte.
»Okay«, sagte er. »Ich glaube, wir sind auf der richtigen Spur. Jetzt merke ich auch was.«
Auch Katherina bestätigte, die Energie zu spüren.
»Was habe ich gesagt?«, brummte Paw.
Wachsam schlich Jon weiter über die Treppe nach unten. Mit jeder Stufe verstärkte sich die Energie, während die Luft immer feuchter und muffiger wurde. Am Fuß der Treppe kam ein kurzer Gang, der nach wenigen Metern um eine Ecke bog. Wenn Jons Orientierung stimmte, befanden sie sich jetzt unter der Rückseite des Gebäudes.
Hinter der Ecke sahen sie sich zwei weiteren Türen gegenüber. Die Stahltür auf der rechten Seite wies eine Luke auf wie die Tür einer Gefängniszelle. Die zweite, eine schwere Eichentür mit schwarzen Eisenbeschlägen
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