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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Sinn der Solopartie bestand offenbar darin, alle Kugeln in die Billardlöcher zu jagen, ohne den Hund aufzustören. Und man muss sagen, der Virtuose erledigte diese Aufgabe glänzend. Keuchend und seinen Riesenbauch auf dem Tischrand abstützend, zielte der Große Sosso lange, stieß aber dann kurz und präzise zu, so dass die Kugeln aneinander stießen und dann eine ideale Kurve beschrieben, die unweigerlich mit einem satten Schaukeln des Netzes endete. Der Zwergterrier, der offenbar all das gewohnt war, wachte vom Klicken der Kugeln nicht auf und zuckte nur ab und zu mit den schwarzen spitzen Ohren.
    Zwischen den Zähnen des Bankiers ragte eine lange Zigarre, an seinen behaarten Fingern funkelten blendende Ringe, und am Tischrand glitzerte ein Kristallglas mit Cognac. An der Seite standen auf einem Malachittischchen eine bauchige Flasche, die schon halb leer war, eine Schale mit Obst und eine Riesenschachtel Schokoladenpralinen.
    »Spielen Sie Billard, Nikolai Alexandrowitsch?«, fragte der Dicke, zu Fandorin schielend, und bedeutete dem Diener mit einer Bewegung seiner buschigen Augenbrauen, er möge sich entfernen.
    »Nein«, antwortete Nicholas kurz und schaute den interessanten Mann an.
    Er sah wirklich genauso aus wie auf den Illustriertenfotos: ein komischer Knirps, der aus einem Hollywood-Film über die lustigen Zwanzigerjahre stammte und sich in den Moskauer Klub verirrt hatte. Wieder hatte er eine Kugel in das Loch gestoßen, gönnte sich eine Schokoladenpraline und blies mit Behagen eine Rauchwolke in die Luft.
    »Stammen Sie aus einem alten Geschlecht?«, fragte Fandorin, der es nicht mehr aushalten konnte, neugierig, nachdem er vergeblich irgendwelche Merkmale von Rasse in der aufgedunsenen Physiognomie und den Manieren des Bankiers zu entdecken versucht hatte. »Soviel ich weiß, hatte der Großfürst Michail Nikolajewitsch einen Schatzmeister namens Fürst Gabunow. Sie stammen wahrscheinlich von diesen Gabunows ab?«
    »Nein, Nikolai Alexandrowitsch«, sagte der Große Sosso und schüttelte mit sichtlichem Bedauern den Kopf. »Ich bin wahrscheinlich der einzige Georgier auf dieser Welt, der nicht von einem Fürsten abstammt. Ich bin ein echter Plebejer. Aber danke, dass Sie mir von Ihrem Fürst erzählt haben. Vielleicht mache ich ihn wirklich zu meinem Urgroßvater.«
    »Ist das hier denn nicht so etwas wie eine Adelsversammlung?«, fragte Fandorin mit gesenkter Stimme. »Ich habe gelesen, dass dies ein ganz exklusiver Klub für Leute ist, in deren Adern blaues Blut fließt.«
    »Nein, grünes«, korrigierte Gabunija und rieb die Spitze des Billardstocks mit Kreide ein. »Zahl fünftausend Dollar im Jahr, verschaffe dir die Empfehlung eines der Mitglieder, und schon bist du ein Adeliger. Ohne Empfehlungen kostet es zehntausend. Sie, Nikolai Alexandrowitsch, sind hier ja mit vollem Recht. Man hat mir ein Dossier über Sie zusammengestellt; soviel ich weiß, ist das Geschlecht der Fandorins seit dem zwölften Jahrhundert bekannt. Möchten Sie, dass ich Sie für den Klub empfehle?«
    »Danke, nicht nötig«, antwortete Fandorin unbeeindruckt. Ihm war noch nicht ganz klar, wie er sich diesem undurchschaubaren Herrn gegenüber verhalten sollte. Am Telefon hatte er wie ein Geschäftsmann geredet, jetzt aber spielte er den Clown und dachte ganz offensichtlich nicht daran, ein ernstes Gespräch zu führen.
    »Schlaf, Chouchou, schlaf, meine Schnuckelschnute.« Und wieder: ein langes Zielen, ein kurzer Stoß – und die Kugel war im Loch. »Ein kluger Junge bist du, Sosso. Da hast du ein Trüffelchen. . . Möchten Sie eine Praline? Nein? Schade, dabei werden sie extra für mich angefertigt, meine Lieblingspralinen«, fuhr Joseph Guramowitsch fort, belangloses Zeug zu erzählen. »Und dass Sie in den Klub nicht eintreten wollen, da haben Sie Recht. Was ist das schon für ein Name, ›Pedigree‹?! Die kein Englisch können, denken, hier träfen sich Hundezüchter oder Päderasten. Manche sind schon beleidigt, wenn man sie nur einlädt, oder wie einzelne Aristokraten sich bei uns auszudrücken belieben: fühlen sich auf den Schwanz getreten. Die Administration will den Namen in »Blaues Blut‹ ändern.«
    Die Sängerin, die das lange Lied von den hinreißenden russischen Abenden zu Ende gesungen hatte, kündigte durchs Mikrofon an:
    »Und nach alter Tradition erklingt jetzt das Lieblingslied unseres verehrten Joseph Guramowitsch: ›Suliko‹.«
    Und sie verschränkte die Hände vor der Brust und sang:
    Das

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