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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Seiten.
    Als Erstes las er in der Wochenzeitung »Geheimnisse«, in einer der Novemberausgaben des letzten Jahres, einen Artikel mit der Überschrift »Die Kapitäne der russischen Wirtschaft«, dem er viel Interessantes über Joseph Guramowitschs Biografie entnahm.
    Demzufolge war er ein ungewöhnlicher Mann: Zu Sowjetzeiten hatte er sich als »Zechowik«, also als »Zunftbruder«, mit der illegalen Produktion von Waren beschäftigt und war eng mit der Verbrecherwelt Georgiens liiert gewesen, drei Gefängnisaufenthalte, dabei jedoch Inhaber von zwei Diplomen und auch noch Privatdozent für Ökonomie. Zwar wies der Verfasser des Artikels spitzbübisch darauf hin, es handele sich um Diplome und wissenschaftliche Grade »Made in Georgia«, aber trotzdem, trotzdem. Das Spektrum der geschäftlichen Interessen des Herrn Gabunija war nicht weniger bunt zusammengewürfelt als das von Nicholas’ Freund Wlad, aber im heutigen Russland waren Allrounder offenbar gang und gäbe.
    Die Informationen waren zweifelsohne nützlich; nur leider ging aus ihnen nicht hervor, wie man Joseph Guramowitsch jetzt sofort, mitten in der Nacht, finden könnte. Und Fandorin vertiefte sich in die Lektüre des zweiten, oberflächlichen Artikels, der aus der Illustrierten »En face« stammte, die im letzten Monat dem georgischen Magnaten ein Sonderheft gewidmet hatte.
    »Völlig übergeschnappt!«, hörte er aus dem Dunkeln die knurrige Stimme einer alten Frau.
    Fandorin fuhr zusammen und hob den Kopf. Eine alte, schlampig aussehende Dame, die aus wer weiß welchem Grund zu dieser späten Stunde hier gelandet war, humpelte an ihm vorbei und schielte feindselig in seine Richtung. Sie hatte einen Korb in der Hand, in dem etwas klirrte, und Nicholas erinnerte sich an Wlads rätselhafte Worte von einer »Alten, die leere Flaschen einsammelt«. Offenbar handelte es sich um sie.
    Man kann die arme Frau verstehen. Nacht, dunkle Sträucher, ein Mann im weißen Hemd glotzt auf einen Kasten, von dem ein überirdisches Leuchten ausgeht. Ein merkwürdiges Schauspiel. Eine Großstadt-Nocturne.
    Fandorin starrte wieder auf den Bildschirm.
    Joseph Gabunija: der Mann des Monats. Auf dem Umschlag der Illustrierten war ein gutmütiger Dicker in grauem Smoking abgebildet, der sinnliche Lippen hatte, lächelte und einen winzigen English Toy Terrier in der feisten, mit Brillantringen geschmückten Hand hielt. Die reinste Karikatur eines Neureichen!
    Nicholas schaute sich die Fotos an. Joseph Guramowitsch in der Kirche – Trauung mit dem Topmodel Sabrina Swing (eine bildschöne Blondine). Joseph Guramowitsch (angespannt und Mitleid erregend im Tenniskostüm und mit Tennisschläger, als Teilnehmer am Tennistunier »Großer Hut«. Joseph Guramowitsch küsst seinen English Toy Terrier mit dem französischen Namen Chouchou (das Schoßhündchen macht einen eingeschüchterten Eindruck). Joseph Guramowitsch eröffnet ein Internat für blinde und taubstumme Kinder (das mitleidige Gesicht des Wohltäters in Großformat: rund, faltig, Tränen in den Augen).
    Ähnlich war der Text. Alles klar: Ein auf Bestellung geschriebener und offensichtlich großzügig bezahlter Artikel. Fandorin las ihn zweimal hintereinander, wobei er die Absätze, in denen das Landhaus des Bankiers beschrieben wurde, besonders aufmerksam studierte. Keinerlei Anhaltspunkte. Nikolausberg – weiß der Teufel, wo das ist.
    Vielleicht gibt das Kapitel über den Klub »Pedigree« etwas her? Der Verfasser behauptete, Joseph Guramowitsch gehe gern dorthin und verbringe seine Abende beim Poker – und Billardspiel mit den Mitgliedern dieses exklusiven Kreises (das Wort »exklusiv« gefiel dem Journalisten offenbar außerordentlich, es tauchte im Text unzählige Male auf), zu dem nur die Sprösslinge altehrwürdiger Adelsfamilien zugelassen würden. Zu den renommiertesten Vertretern des alten Adels und ständigen Partnern von Joseph Guramowitsch gehörten ein berühmter Bildhauer, der aus einem georgischen Fürstengeschlecht stamme, ein Filmregisseur, der mit Vorliebe von seinen adeligen Wurzeln rede, und außerdem noch einige lokale Berühmtheiten, deren Namen Fandorin nichts sagten.
    »Mehr als schief gehen kann’s ja nicht«, dachte Nicholas und fand übers Internet tatsächlich die Telefonnummer des »Pedig-ree«-Klubs heraus. Er wählte die Nummer und bat, mit Herrn Gabunija sprechen zu dürfen.
    »Joseph Guramowitsch geht nicht ans Klubtelefon«, antwortete eine süßliche Lakaienstimme. »Rufen Sie bitte

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