Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
Mal zusammen und wieder auseinander. Sie waren kalt und feucht und machten, was sie wollten. Sie wollten nervös herumspielen und Knöchel knacken. Ich setzte mich auf sie.
Ich war erst ein einziges Mal in Augustas Schlafzimmer gewesen, und das war, als ich während des Treffens der Töchter Mariens in Ohnmacht gefallen und in ihrem Bett wieder zu mir gekommen war. Ich muss zu benommen gewesen sein, um es richtig zu sehen, denn es kam mir völlig fremd vor. Man hätte in diesem Zimmer stundenlang herumgehen können und hätte sich nicht eine Minute gelangweilt, so viel gab es zu sehen.
Zunächst einmal - alles war blau. Einfach alles, die Tagesdecke, die Vorhänge, der Teppich, die Stuhlkissen, die Lampen. Aber nicht, dass es langweilig gewesen wäre. Denn alles war in einem anderen Blauton. Himmelblau, azurblau, aquamarinblau, nachtblau - es gibt kein Blau, das es dort nicht gab. Ich hatte das Gefühl, durch einen Ozean zu gleiten.
Auf dem Frisiertisch, wo bei langweiligen Leuten eine Schmuckschatulle oder ein Bild stehen, hatte Augusta ein Aquarium aufgebaut, das auf dem Kopf stand, und darin steckte ein riesiges Stück einer Honigwabe. Der Honig war herausgelaufen und bildete kleine Lachen auf dem Brett darunter.
Auf ihren Nachttischen standen Bienenwachskerzen, die in ihren Messinghaltern heruntergeschmolzen waren. Ich fragte mich, ob das welche von denen waren, die ich selber gegossen hatte. Ich fand es schön, mir vorzustellen, dass ich möglicherweise geholfen hatte, Augustas Schlafzimmer zu erleuchten, wenn es dunkel war.
Ich stand auf und sah mir die Bücher an, die ordentlich in ihrem Regal aufgestellt waren. Aus dem Leben der Bienen, Imkerfragen, Tanzsprache und Orientierung der Bienen, Griechische Götter- und Heldensagen, Marienbilder aus drei Jahrhunderten, Theorie und Praxis des neuen Bienenfreundes. Ich nahm das Marienbuch vom Regal, legte es auf meinen Schoß und öffnete es. Ich sah mir die Bilder an. Manchmal war Maria brünett und hatte braune Augen, manchmal war sie blond und blauäugig, aber immer war sie wunderschön. Sie hätte an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen können. Sie sah aus wie eines von den Mädchen, die Miss Amerika werden wollen. Wie eine Miss Mississippi. Denn die Mädchen aus Mississippi gewinnen ja meist. Unwillkürlich musste ich mir Maria in einem Badeanzug und auf Stöckelschuhen vorstellen - natürlich, bevor sie schwanger geworden war.
Aber die aufregendste Entdeckung war, dass Maria auf allen Bildern vom Erzengel Gabriel eine Lilie bekam. Auf jedem Bild, auf dem er erschien, um ihr zu sagen, dass sie den Sohn des Höchsten bekommen würde, obwohl sie noch nicht verheiratet war, brachte er ihr eine große, weiße Lilie. Als ob das die Entschädigung für all das Gerede wäre, das sie deshalb ertragen musste. Ich klappte das Buch zu und stellte es zurück ins Regal.
Ein Luftzug kam aus dem offenen Fenster. Ich ging hin und blickte hinaus auf den dunklen Saum der Bäume am Waldrand, auf einen Halbmond, der wie eine Goldmünze in einem Schlitz aussah, bevor er mit einem »Kling« durch den Himmel rutschen würde. Stimmen drangen gedämpft durch das Fliegengitter. Frauenstimmen. Sie schwollen zu Gezwitscher an und ebbten ab. Die Töchter gingen. Ich zwirbelte in meinem Haar herum, ging im Kreis um den Teppich, so wie Hunde das machen, ehe sie sich irgendwo auf den Boden setzen.
Ich dachte an die Gefängnisfilme, in denen ein Gefangener hingerichtet werden soll - der natürlich zu Unrecht beschuldigt wird -, wie die Kamera hin und her wechselt zwischen dem armen Mann, der in seiner Zelle schwitzt, und der Uhr, deren Zeiger sich langsam aber sicher auf zwölf Uhr zubewegen.
Ich setzte mich wieder auf die Truhe.
Schritte auf den Dielen in der Eingangshalle. Ruhige, gleichmäßige. Augustas Schritte. Ich setzte mich gerade hin, reckte mich, und mein Herz fing an, so laut zu schlagen, dass es in meinen Ohren dröhnte. Als sie ins Zimmer kam, sagte sie: »Ich dachte mir schon, dass du hier bist.«
Ich hatte den dringenden Wunsch, an ihr vorbei aus der Tür zu jagen, aus dem Fenster zu stürzen. Du brauchst das nicht zu tun , sagte ich mir, aber das Verlangen war stärker. Das Verlangen nach der Wahrheit.
»Erinnerst du dich, als...«, sagte ich. Meine Stimme brachte kaum mehr als ein Flüstern hervor. Ich räusperte mich. »Erinnerst du dich, dass du gesagt hast, wir müssten uns unterhalten?«
Sie schloss die Tür. Ein endgültiges Geräusch. Jetzt kannst du
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