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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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fand den Weg zurück zu den Ihren.«
    Augusta machte eine Pause. Sie ging im Kreis herum und sah jeden von uns an, sie ließ die Blicke über unsere Gesichter gleiten, so als ob sie wirklich keinerlei Eile hätte.
    Dann erhob sie ihre Stimme. »Was gebunden wird, wird gelöst werden. Was niedergeworfen wird, wird erhoben werden. Dies ist das Versprechen Unserer Lieben Frau.«
    »Amen«, sagte Otis.
    June fing wieder an zu spielen, dieses Mal ein etwas fröhlicheres Stück. Ich sah hinüber zur Maria, die von Kopf bis Fuß in rostige Ketten gewickelt war. Draußen zuckte ein Wetterleuchten am Himmel.
    Alle schienen tief in Gedanken versunken, oder was auch immer sie da taten. Und alle hatten die Augen geschlossen, bis auf Zach. Er starrte mich an.
    Ich sah hinüber auf die arme, geschundene Maria. Ich konnte es nicht ertragen, sie so zu sehen. »Aber wir spielen es doch nur nach«, hatte Augusta gesagt. »Damit die Dinge nicht in Vergessenheit geraten. Damit wir uns erinnern. Erinnerungen sind so wichtig.« Trotzdem, mich stimmte das unendlich traurig. Und ich hasste Erinnerungen.
    Ich drehte mich um und ging aus dem Honighaus, hinaus in die warme und beschwichtigende Nacht.
     
    Zach kam mir nach, er holte mich im Tomatengarten ein. Er nahm meine Hand und wir gingen weiter, vorbei an Mays Mauer, hinein in den Wald, ohne zu sprechen. Die Grillen zirpten wie verrückt und füllten die Luft mit ihrem eigenartigen Gesang. Zweimal lief ich in ein Spinnennetz und spürte die feinen, durchsichtigen Fäden in meinem Gesicht. Sie waren wie ein Schleier, den die Nacht gesponnen hatte.
    Mich drängte es zum Fluss. Ich wollte mich nackt ausziehen und das Wasser meine Haut liebkosen lassen. Flusskiesel lutschen, so wie ich es in der Nacht getan hatte, als Rosaleen und ich beim Flusslauf geschlafen hatten. Selbst Mays Tod hatte meine Liebe zu dem Fluss nicht zerstört. Ich war mir sicher, der Fluss hatte sein Bestes getan, ihr eine friedliche Überfahrt in ein anderes Leben zu gewähren. Man konnte in einem Fluss sterben, aber vielleicht konnte man ja auch in einem wiedergeboren werden, so wie in den Bienenkorbgräbern, von denen Augusta erzählt hatte.
    Das Mondlicht strahlte durch die Bäume hinunter. Es wies uns den Weg zum Wasser.
    Wir standen am Ufer und sahen zu, wie die einzelnen Lichtbündel auf dem Wasser wogten, wir ließen die Geräusche des Wassers zu uns herüberschwappen. Wir hielten uns noch immer an den Händen, und ich spürte, wie sich seine Finger fester um meine Hand schlossen.
    »Da, wo ich früher gelebt habe, gab es ganz in der Nähe einen Teich«, sagte ich. »Manchmal ging ich dahin, um durch das Wasser zu waten. Eines Tages waren die Jungs von der Nachbarfarm auch da und fischten. Sie hatten alle die kleinen Fische, die sie gefangen hatten, an einer Angelschnur befestigt. Dann drückten sie mich am Ufer herunter und legten sie mir um den Hals, sie machten sie so eng zu, dass ich sie nicht über den Kopf ziehen konnte. Ich schrie ›Lasst mich los, macht das weg‹, aber sie lachten nur und sagten: ›Was ist denn? Gefällt dir deine Fischkette etwa nicht?‹«
    »Mistkerle«, sagte Zach.
    »Ein paar von den Fischen waren schon tot, aber die meisten flappten noch herum und ihre Augen starrten mich an, sie sahen so verängstigt aus. Mir war klar, wenn ich ins Wasser gehen und schwimmen würde, könnten sie atmen. Ich ging bis zu den Knien ins Wasser, aber dann kehrte ich um. Ich hatte einfach zu viel Angst, noch tiefer hineinzugehen. Ich hätte ihnen helfen können, aber ich habe es nicht getan.«
    »Aber du hättest doch auch nicht ewig da in dem Teich bleiben können«, sagte Zach.
    »Aber ich hätte lange im Wasser bleiben können. Aber ich bettelte nur darum, dass sie mir endlich die Schnur abmachten. Ich bettelte. Aber sie sagten, ich sollte die Klappe halten, ich wäre jetzt ihr Fischständer, und so saß ich da mit all den Fischen an meiner Brust. Ich habe ein Jahr lang von diesen Fischen geträumt. Und manchmal war ich in meinen Träumen mit ihnen an der Schnur gefangen.«
    »Ich kenne das Gefühl«, sagte er.
    Ich sah ihm so tief in die Augen, wie ich konnte. »Dass du verhaftet worden bist...« Ich wusste nicht weiter.
    »Was ist damit?«, sagte er.
    »Es hat dich verändert, nicht wahr?«
    Er blickte auf das Wasser. »Manchmal bin ich so wütend, Lily, dass ich töten könnte.«
    »Die Jungs, die mir die Fische umgebunden haben, die waren auch so wütend. Wütend auf die ganze Welt, und dadurch

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