Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
mit Zauberkräften. Als ob ich konservieren könnte, was immer ich damit berührte.
Wir ließen, während wir aßen, Unsere Liebe Frau im Garten, dann gingen wir zurück und wuschen sie genauso sorgsam und langsam mit Wasser ab, wie wir sie vorher mit Honig eingerieben hatten. Nachdem Neil und Zach sie wieder an ihren ursprünglichen Platz im Salon zurückgebracht hatten, gingen alle nach Hause. Augusta, June und Rosaleen fingen mit dem Abwasch an, ich aber schlüpfte rüber zum Honighaus. Ich legte mich auf mein Bett und versuchte, nicht nachzudenken.
Aber - das geht ja wohl vielen so - je mehr man sich bemüht, nicht nachzudenken, umso ausgefallener werden die Gedankengänge. Während ich mich eigentlich sehr anstrengte, nicht nachzudenken, verbrachte ich zwanzig Minuten mit der spannenden Frage: Wenn einem eines der Wunder aus der Bibel widerfahren könnte, welches würde man wählen? Das mit der Vermehrung der Brote und der Fische schied gleich aus, ich war so satt, ich wollte nie mehr im Leben etwas essen. Ich fand aber, auf Wasser laufen zu können müsste ziemlich interessant sein, aber andererseits, wozu? Schön, man kann dann also auf Wasser laufen, aber was bringt das? Ich entschied mich schließlich für die Auferweckung von den Toten, denn in meinem Innern fühlte ich mich immer noch leer und mausetot.
All das ging mir im Kopf herum, bevor mir überhaupt klar war, dass ich nachdachte. Ich hatte gerade wieder mit meinen Anstrengungen begonnen, nicht nachzudenken, als Augusta an die Tür klopfte.
»Lily? Kann ich reinkommen?«
»Klar«, sagte ich, aber ich machte keine Anstalten aufzustehen. Das war’s dann also mit dem Nicht-Nachdenken. Sobald Augusta bei einem ist, muss man einfach über irgendetwas nachdenken.
Sie rauschte in mein Zimmer, mit einer goldweiß gestreiften Hutschachtel in der Hand. Sie blieb einen Augenblick lang stehen und sah zu mir herunter, sie war sehr groß. Der Ventilator auf dem kleinen Regal kreiste und blies ihren Kragen hoch, er wehte um ihren Hals herum.
Sie hat mir einen Hut gebracht, dachte ich. Vielleicht war sie ja zum Wohltätigkeitsladen gefahren und hatte mir einen Strohhut gekauft, um mich ein wenig aufzumuntern. Aber das war ein völlig dämlicher Gedanke. Wieso sollte mich ein Strohhut aufheitern? Dann dachte ich einen Moment lang, das wäre vielleicht der Hut, den mir Lunelle versprochen hatte, aber das kam auch nicht hin. So schnell hätte Lunelle keinen Hut bauen können.
Augusta setzte sich auf Rosaleens Feldbett und stellte die Schachtel auf ihren Schoß. »Ich bringe dir ein paar Sachen von deiner Mutter.«
Ich starrte auf die perfekte Rundung der Schachtel. Ich nahm einen tiefen Atemzug, und als er wieder herauskam, stotterte er seltsam. Sachen von meiner Mutter.
Ich rührte mich nicht. Ich roch die Luft, die der Ventilator durch das Fenster herein wirbelte. Ich spürte, dass die Luft schon schwül geworden war und auf den Nachmittagsregen wartete, aber der Himmel hielt ihn noch zurück.
»Möchtest du sehen, was hier drin ist?«, sagte sie.
» Sag es mir lieber.«
Sie legte ihre Hand auf den Deckel und tappte darauf herum. »Ich bin nicht sicher, ob ich mich erinnere. Ich hatte diese Schachtel völlig vergessen, sie ist mir erst heute Morgen wieder eingefallen. Ich dachte, wir könnten sie vielleicht zusammen aufmachen. Aber du musst natürlich nicht hineinsehen, wenn du nicht willst. Es sind nur ein paar Dinge, die deine Mutter damals hier gelassen hat, als sie zurück nach Sylvan gefahren ist, um dich zu holen. Ich habe ihre Kleider dann irgendwann der Heilsarmee gegeben, aber die restlichen wenigen Sachen habe ich behalten. Sie waren jetzt bestimmt zehn Jahre lang in dieser Schachtel.«
Ich setzte mich auf. Ich konnte mein Herz trommeln hören. Ich fragte mich, ob Augusta es drüben auf dem anderen Bett auch hören konnte. Bum-bum, bum-bum. Und obwohl es Panik ist, die das Herz so laut schlagen lässt, ist es trotzdem doch auch vertraut und seltsam beruhigend, wenn man sein eigenes Herz hören kann.
Augusta stellte die Schachtel auf das Bett und nahm den Deckel ab. Ich reckte mich ein wenig hoch, um in die Schachtel zu sehen, aber ich konnte nichts erkennen, nur weißes Seidenpapier, das an den Rändern vergilbt war.
Sie nahm ein kleines Bündel heraus und faltete es aus dem Papier. »Der Taschenspiegel deiner Mutter«, sagte sie und hielt ihn hoch. Er war oval, mit einem Rahmen aus Schildpatt, er war kaum größer als meine
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