Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
wohl auf den Meeren dieser Welt gereist war, was für traurige Dinge man ihr zugeflüstert hatte, was sie alles erlitten hatte.
Wenn wir unsere Gebete mit den Perlen gesprochen hatten, wusste ich manchmal nicht mehr, wie ich mich bekreuzigen musste, ich brachte es durcheinander mit der Art, wie es jemand tat, der als Baptist erzogen worden ist. Wenn mir das passierte, legte ich einfach die Hand auf mein Herz, so wie wir es in der Schule machten, wenn wir die Nationalhymne sangen. Es schien mir, eins sei so gut wie das andere, und das geschah auch jetzt - meine Hand legte sich wie von selbst auf mein Herz und blieb dort.
Ich sagte ihr: Bring alles in Ordnung, bitte hilf mir und bring alles in Ordnung. Sag mir, was ich tun soll. Verzeih mir. Geht es meiner Mutter gut dort im Himmel bei Gott? Mach, dass sie uns nicht finden. Wenn sie uns finden, mach, dass sie uns nicht mitnehmen. Wenn sie uns finden, mach, dass sie Rosaleen nicht töten. Mach, dass June mich liebt. Dass T. Ray mich liebt. Mach, dass ich nicht mehr lüge. Mach die Welt besser. Nimm die Gemeinheit aus den Herzen der Menschen.
Ich trat näher heran, jetzt konnte ich das Herz auf ihrer Brust sehen. Im Geiste hörte ich das Fächeln von Abertausenden von Bienenflügeln in ihrer dunklen Musicbox. Ich sah Augusta und mich, die Ohren an den Stock gelegt. Ich erinnerte mich an den Klang ihrer Stimme, als sie zum ersten Mal die Geschichte Unserer Lieben Frau der Ketten erzählt hatte. Sende ihnen Rettung. Spende ihnen Trost. Schenke ihnen die Freiheit.
Ich streckte die Hand aus und folgte dem Umriss des Herzens mit dem Finger. Ich stand dort mit Blütenblättern unter meinen Zehen und hielt meine Hand gegen ihr Herz gepresst.
Ich lebe in einem Bienenstock in tiefer Dunkelheit, und du bist meine Mutter, sagte ich zu ihr. Du bist die Mutter von Tausenden.
Der Zusammenhalt eines Bienenvolkes hängt überwiegend von Kommunikation ab - von einer angeborenen Fähigkeit, Nachrichten zu senden und zu empfangen, Informationen zu codieren und zu decodieren.
KAPITEL 9
Der 28. Juli sollte eigentlich in den Geschichtsbüchern stehen. Wenn ich heute an diesen Tag denke, dann sehe ich vor mir, wie sich Leute in Fässern die Niagarafälle hinunter stürzen. Seit ich das erste Mal davon gehört hatte, malte ich mir aus, wie sie in ihrem Fass kauern, das gemächlich wie eine Plastikente in einer Badewanne vor sich hin schwimmt, bis dann plötzlich das Wasser wild wird und das Fass anfängt herumzuschlingern, während in der Ferne das laute Donnern ohrenbetäubend wird. Ich war davon überzeugt, dass sie dann da in ihrem Fass hockten und sich sagten: Verdammter Mist, was mache ich hier eigentlich?
Um acht Uhr morgens waren es schon 35 Grad, und bis zum Mittag würde es das Thermometer schaffen, sogar noch auf 40 Grad zu klettern. Ich wurde davon wach, dass Augusta mich an der Schulter rüttelte und sagte, steh auf, heute wird es brütend heiß, wir müssen den Bienen Zuckerwasser geben.
Ich sprang mit noch ungekämmtem Haar in den Honigwagen, May reichte mir eine Scheibe Toast mit Butter und einen Becher Orangensaft durch das Seitenfenster, und Rosaleen steckte uns Flaschen mit kaltem Wasser zu. Sie liefen neben dem Laster her, als Augusta langsam aus der Einfahrt hinausfuhr. Ich fühlte mich wie das Rote Kreuz auf einer Rettungsmission für das Königreich der Bienen.
Hinten im Laster standen viele Liter Zuckerwasser, das Augusta schon vorbereitet hatte. »Wenn es über 40 Grad heiß wird«, sagte sie, »vertrocknen die Blumen, und dann finden die Bienen kein Futter mehr. Sie bleiben in ihren Stöcken und fächeln sich Luft zu. Und manchmal verglühen sie dabei einfach.«
Dabei hatte ich das Gefühl, als würden wir selbst bei lebendigem Leib geröstet. Man konnte nicht einmal den Türgriff anfassen, ohne sich eine Verbrennung dritten Grades zuzuziehen. Der Schweiß lief mir nur so zwischen den Brüsten herunter, bis in meine Unterhose. Augusta drehte das Radio an, um den Wetterbericht zu hören, aber stattdessen erfuhren wir, dass Ranger 7 nun auf dem Mond gelandet war, an einem Ort namens Meer der Wolken, dass die Polizei nach den Leichen der drei Bürgerrechtler aus Mississippi suchte, und wir hörten von den furchtbaren Dingen, die im Golf von Tonkin geschahen. Es endete mit einem Bericht über das, was »zu Hause« geschieht: Schwarze aus Tiburon, Florence, und Orangeburg waren auf einem Marsch nach Columbia, um den Gouverneur dazu zu bringen, endlich das
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