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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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hatte. Ihre kleine Lichtpfütze schwankte, als sie durch den Wald kam.
    »Hier sind wir«, rief Augusta und leuchtete mit ihrer Lampe durch die Bäume. Wir warteten, bis June das Ufer erreicht hatte.
    »Die Polizei ist auf dem Weg hierher«, sagte sie.
    Die Polizei ist auf dem Weg hierher. Ich sah zu Rosaleen hinüber, ihre Mundwinkel hingen herab. Mich hatte die Polizei nicht erkannt, als ich den Besuch im Gefängnis gemacht hatte, ich hoffte nur, auch Rosaleen hätte jetzt Glück.
    June rief nach May und pflügte das Ufer hinauf, gefolgt von Rosaleen, aber Augusta ging mit einem Mal sehr langsam und bedächtig. Ich blieb dicht hinter ihr, sprach weiter die »Gegrüßet seist Du, Marias« zu mir selber, schneller und immer schneller.
    Plötzlich blieb Augusta stehen. Ich auch. Und ich hörte den Gesang des Nachtvogels nicht mehr.
    Ich fixierte Augusta, ich löste meine Augen nicht von ihr. Sie stand dort, angespannt, aufmerksam, und sah hinunter in das Flussbett. Auf etwas, was ich nicht erkennen konnte.
    »June«, rief sie mit einer seltsamen, flüsternden Stimme, aber June und Rosaleen waren so weit vor uns, sie hörten sie nicht. Nur ich hörte sie.
    Die Luft war stickig und undurchdringlich, zu stickig, um sie zu atmen. Ich trat neben Augusta und berührte ihren Arm mit meinem Ellbogen, ich brauchte sie dicht neben mir. Und da war Mays Taschenlampe, sie lag ausgeschaltet auf dem nassen Grund.
    Heute erscheint es mir seltsam, aber wir standen dort eine ganze Minute lang völlig regungslos, ich wartete darauf, dass Augusta etwas sagte, aber sie sprach nicht, sie stand nur da. Dann kam ein Windstoß, er wühlte sich durch die Äste und Zweige, traf uns ins Gesicht wie eine Brise der Hölle. Augusta sah mich an, dann richtete sie ihren Lichtstrahl auf das Wasser.
    Das Licht glitt über die Oberfläche, die sich in Spritzer dunkelgoldener Tintenkleckse auflöste, dann blieb es schlagartig stehen. May lag im Fluss, direkt unter der Oberfläche. Ihre Augen waren weit offen und starr, der Rock ihres Kleides hatte sich aufgefächert und trieb im Strom.
    Von Augustas Lippen kam ein Laut, ein sanftes Klagen.
    Ich klammerte mich wie wild an Augustas Arm, aber sie riss sich los, warf ihre Taschenlampe weg und stieg in den Fluss.
    Ich sprang ihr nach. Wasser schlang sich um meine Beine, und ich rutschte auf dem glitschigen Flussgrund aus. Ich griff nach Augustas Rock, bekam ihn aber nicht zu fassen. Ich kam prustend wieder auf die Beine.
    Ich erreichte Augusta, die im Fluss stand und hinunter auf ihre kleine Schwester sah. »June«, rief sie. »June!«
    May lag in dem einen halben Meter tiefen Wasser mit einem gewaltigen Flussstein auf ihrer Brust. Als ich sie sah, dachte ich: Dann kann sie jetzt ja aufstehen. Augusta wird den Stein wegrollen, und May wird hochkommen und nach Luft schnappen, und dann gehen wir alle zum Haus zurück und ziehen ihr etwas Trockenes an. Ich wollte mich hinunterbeugen und sie berühren, sie leicht an der Schulter rütteln. Sie konnte einfach nicht hier draußen im Fluss gestorben sein. Das war vollkommen unmöglich.
    Allein ihre Hände waren nicht unter Wasser. Sie schwammen an der Oberfläche, wie kleine, zerbeulte Kelche, die im Strom auf und nieder trieben, Wasser spülte durch ihre Finger. Selbst heute noch ist es dieses Bild, das mich in der Nacht hochfahren lässt, nicht Mays offene und starre Augen oder der Stein, der auf ihr liegt wie eine Grabplatte. Es sind ihre Hände.
    June stürzte ins Wasser. Sie erreichte May, stand neben Augusta, keuchte, ihre Arme hingen kraftlos neben ihrem Körper. »Oh May«, flüsterte sie und sah weg, sie kniff die Augen zu.
    Ich sah zum Ufer hinüber, dort stand Rosaleen, mit den Knöcheln im Wasser, und zitterte am ganzen Leib.
    Augusta kniete sich nieder und rollte den Stein von Mays Brust. Sie packte May an den Schultern und zog sie hoch. Ihr Körper machte ein entsetzliches, schmatzendes Geräusch, als er aus dem Wasser kam. Ihr Kopf rollte zurück, und ich sah, dass ihr Mund ein wenig aufstand und ihre Zähne mit Schlamm bedeckt waren. Flussgras hatte sich in ihren Zöpfen verfangen. Da erst wusste ich es. May war tot.
    Augusta wusste es auch, aber sie legte ihr Ohr auf Mays Brust und lauschte. Nach einer Minute kam sie hoch und legte Mays Kopf an ihre Brust, fast schien es, als wollte sie, dass May nun ihrem Herzschlag lauschen sollte.
    »Wir haben sie verloren«, sagte Augusta.
    Ich fing an zu zittern. Ich konnte hören, wie meine Zähne klapperten,

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