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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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völlig still.
    »Sie ist’ne Kusine von meinem Mann«, sagte Rosaleen. »Wir sind Freunde geblieben, nachdem der abgehaun is’. Augusta war die Einzige in der Familie, die kapiert hat, was für’n jämmerlicher Schwachkopf das war.« Sie sah zu mir herüber, als ob sie sagen wollte: Siehste? Du bist nicht die Einzige, die Lügen aus’m Hut zaubern kann.
    Er klappte sein Notizbuch zu, krümmte einen Finger und winkte mir zu, ich solle ihm zur Tür folgen. Als er nach draußen getreten war, sagte er: »Nimm einen guten Rat von mir an und ruf sofort deine Tante an und sag ihr, sie soll dich auf der Stelle holen kommen, selbst wenn sie noch nicht ganz gesund ist. Hier sind doch nur Farbige. Verstehst du?«
    Ich runzelte die Stirn. »Nein, Sir, ich fürchte nicht.«
    »Ich meine doch nur, es ist einfach nicht normal, dass du... nun, dass du dich so herablässt.«
    »Oh.«
    »Ich komm bald wieder, und du solltest dann nicht mehr hier sein. Kapiert?« Er lächelte und legte seine gewaltige Hand auf meinen Kopf, so als ob wir als die zwei einzigen Weißen hier jetzt eine geheime Übereinkunft hätten.
    »Kapiert.«
    Ich schloss die Tür hinter ihm. Was auch immer mich wie Leim zusammengehalten hatte, jetzt löste es sich, und ich fiel auseinander. Ich ging zurück in den Salon und fing an zu heulen. Rosaleen legte den Arm um mich, und ich sah, wie die Tränen auch über ihr Gesicht liefen.
    Wir gingen die Stufen hinauf in das Zimmer, das sie mit May geteilt hatte. Rosaleen zog auf ihrem Bett die Laken zur Seite. »Los, rein mit dir«, sagte sie.
    »Wo wirst du denn schlafen?«
    »Hier drüben«, antwortete sie und zog die Decke von Mays Bett, die rosabraune Decke aus Stäbchenmaschen, die May selber gehäkelt hatte. Rosaleen stieg hinein und drückte ihr Gesicht in die Falten des Kissens.
    Man sollte meinen, dass ich in dieser Nacht von May geträumt hätte, aber als ich einschlief, war es Zach, der mir in meinen Träumen erschien. Ich kann nicht einmal mehr sagen, was in meinem Traum genau passierte. Als ich wach wurde, ging mein Atem schneller, und ich wusste, es war wegen ihm. Er schien so nah und wirklich, als ob ich mich aufsetzen und sein Kinn mit den Fingerspitzen berühren könnte. Dann fiel mir ein, wo er war, und eine unerträgliche Schwere überfiel mich. Ich sah seine Pritsche vor mir, mit seinen Schuhen darunter, und stellte mir vor, wie er in diesem Moment wahrscheinlich auch wach lag und auf die Decke sah und dem Atem der anderen Jungen zuhörte.
    Drüben in der Ecke des Zimmers setzte ein knarrendes Geräusch ein, und ich erlebte einen dieser merkwürdigen Momente, in denen man nicht genau weiß, wo man eigentlich ist. Ich war halb wach und dachte, ich wäre im Honighaus, aber dann wurde mir klar, dass das Geräusch von Rosaleen kam, die sich im Bett herumdrehte. Und dann, dann fiel mir May ein. Dann fiel mir der Fluss ein.
    Ich musste aufstehen, ins Badezimmer gehen und mir Wasser ins Gesicht spritzen. Als ich dort in dem bisschen Licht stand, das die Nacht schickte, sah ich die Porzellan-Tierfüße der Badewanne, die noch immer die roten Socken trugen, die May darüber gezogen hatte. Ich musste einfach lächeln. Es war eine Seite von May, die ich niemals vergessen wollte.
    Ich schloss die Augen und sah alles vor mir: Ich sah ihre gekringelten Zöpfe, nass vom Rasensprenger, in der Sonne glitzern, ich sah, wie ihre Finger Krümel zurechtlegten, um das Leben einer einzigen Kakerlake zu retten. Ich sah den Hut, den sie an dem Tag getragen hatte, als sie mit den Töchtern Mariens getanzt hatte. Aber vor allem sah ich diesen Widerschein von Liebe und Angst, der so oft auf ihrem Gesicht gebrannt hatte.
    Am Ende hatte er sie verzehrt.
     
    Nach der Autopsie, nachdem die Polizei den Selbstmord für erwiesen erklärt hatte, nachdem das Beerdigungsinstitut May so schön wie möglich hergerichtet hatte, kam sie nach Hause, in ihr rosa Heim. Ganz früh am Morgen des 5. August kam ein schwarzer Leichenwagen die Auffahrt entlang, und vier Männer in schwarzen Anzügen hoben Mays Sarg heraus und trugen ihn in den Salon. Als ich Augusta fragte, warum man May in ihrem Sarg ins Haus trug, sagte sie: »Wir werden bei ihr wachen, bis sie beerdigt wird.«
    Das hatte ich nun nicht erwartet, denn in Sylvan ließen alle, die ich kannte, ihre geliebten Verstorbenen direkt vom Beerdigungsinstitut zum Friedhof bringen.
    Augusta sagte: »Wir bleiben hier bei ihr, damit wir uns von ihr verabschieden können. Bei uns heißt das

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