Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
Vom Netzwerk:
jener Freund der Senatorenfamilie, von dem du vorhin sprachst?« kam es überrascht von Branwyn.
    »So ist es«, antwortete das Mädchen. »Petrus hielt sich mehrere Jahre hier im Sommerpalast des Pudens auf. Er lehrte die Menschen, die zu ihm kamen, das Evangelium und betete zusammen mit ihnen in einem kleinen Gotteshaus. Das aber ließ der Senator, nachdem Petrus ihn darum ersucht hatte, genau an der Stelle errichten, wo wir jetzt stehen, nämlich in einem der Atriumshöfe des Palastes.«
    Angela wies auf einen Steinquader seitlich des Mosaiks, auf dessen Oberfläche die verschliffenen Konturen eines Davidsterns auszumachen waren. »Hier hast du einen Beweis für die Wahrheit meiner Worte. Großmutter zeigte mir das Zeichen, als sie zum erstenmal mit mir nach Sancta Praxedis kam, und erklärte mir, daß die älteste Kirche Roms aus einer jüdischen Andachtsstätte entstand.«
    Branwyns Fingerspitzen tasteten zart über den sechszackigen Stern; einmal mehr wurde ihr dabei klar, wie unauflöslich das Christentum in seinem Ursprung mit dem Judentum verflochten war. Sie meinte, Simon Kephas vor sich zu sehen, wie er, die Gebetsriemen um Stirn und Arm geschlungen, seiner Gemeinde die uralte und zugleich so neue und hoffnungsvolle Lehre Jesu verkündete: jene Lehre, welche den mosaischen Erkenntnispfad friedlich mit anderen, nicht weniger wertvollen Wegen der Gottsuche verknüpfen wollte – und an diesem Ort, sie spürte es, war es geglückt; war die Brücke des Miteinander zwischen Juden und Römern geschlagen worden.
    Als hätte Angela Branwyns Gedanken erraten, fuhr sie nun fort: »Es machte, so erzählte mir Calpurnia, damals keinen Unterschied, ob die Menschen, die zu Petrus kamen, Juden, Römer oder Angehörige anderer Völker waren. Sie versammelten sich ohne Ansehen ihres Glaubens, ihres Standes oder ihrer Herkunft in der Synagoge, weil sie etwas suchten, das ihnen alle Macht des Imperiums nicht geben konnte, und auch später, nachdem Petrus die Stadt wieder verlassen hatte, um in sein Heimatland zurückzukehren, blieb das so.«
    »Du sagst, Simon Kephas sei heim nach Judäa gereist?« warf Branwyn ein. »Wurde er denn nicht hier in Rom hingerichtet, wie ich erst kürzlich wieder einen Priester aus dem Lateran behaupten hörte?«
    Angela schüttelte empört den Kopf. »Das ist eine der Lügen, die das Patriarchat neuerdings verbreitet! Wie hätte man Petrus wohl den Prozeß machen und ihn kreuzigen sollen, da er doch unter dem Schutz des höchst einflußreichen Adligen Pudens stand? – Nein, es existieren Aufzeichnungen, aus denen zweifelsfrei hervorgeht, daß er, als er seine Aufgabe hier erfüllt hatte, völlig unbehelligt nach Jerusalem segelte und sein Leben dort beschloß.«
    »Trotzdem stellt man ihn als Märtyrer hin?!« empörte sich Branwyn – und einen Lidschlag später wurden ihr die Zusammenhänge klar. »Ich nehme an, das geschieht aus denselben Gründen, welche die Papstanhänger dazu veranlassen, ihre schauerlichen Reliquienprozessionen und dergleichen zu veranstalten. Man versucht, die Gläubigen durch blutrünstige Märtyrergeschichten und die Zurschaustellung von Toten einzuschüchtern und auf diese Weise Macht über sie zu gewinnen, anstatt ihnen die Botschaft der Nächstenliebe zu verkünden. Und dazu paßt auch jene ungeheuerliche Unterstellung, wonach der Jude Simon Kephas die römischen Päpste zu seinen Nachfolgern und Oberhäuptern der Kirche eingesetzt habe.«
    »Petrus würde sich im Grab umdrehen, wenn er davon wüßte!« pflichtete Angela ihr bei. »Doch laß uns nun bitte wieder von erfreulicheren Dingen reden. Schließlich sollst du ja noch ein wenig mehr von Sancta Praxedis erfahren …«
    »Dann los«, forderte Branwyn ihre Freundin auf. »Insbesondere würde mich interessieren, wie aus der Synagoge der christliche Kirchenbau entstand?«
    »Tja, das verdanken wir zwei jungen, unternehmungslustigen Frauen«, erwiderte Angela augenzwinkernd. »Ihre Namen lauteten Pudentia und Praxedis, und es handelte sich um die Töchter des Senators Pudens und seiner Gemahlin Priscilla. Sie gehörten zu den eifrigsten Schülerinnen Petri; nach seiner Abreise führten vor allem sie sein Werk fort und lehrten weiterhin in dem kleinen jüdischen Bethaus, bis es zuletzt die Frauen und Männer, welche sich regelmäßig unter seinem Dach versammelten, nicht mehr zu fassen vermochte. Daraufhin baten Praxedis und Pudentia ihren Vater, das Gebäude erweitern zu lassen – und so wurde diese Kirche

Weitere Kostenlose Bücher