Die Bischöfin von Rom
wonach das Oberhaupt des römischen Patriarchats in Rhegium an der Südspitze des italienischen Stiefels Station gemacht und sich nach einem harten Disput mit dem dort residierenden arianischen Bischof mit Kurs auf Neapolis eingeschifft habe. Auch in dieser Stadt war es, so die jüngsten Informationen, zu feindseligen Auseinandersetzungen mit Anhängern der arianischen Glaubensrichtung gekommen, ehe die Galeere des Liberius erneut Anker gelichtet hatte – und jetzt, Mitte Juni, stand die Ankunft des Papstes im Hafen von Ostia unmittelbar bevor.
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»Liberius ist vom Machtwahn besessen; er trachtete seit jeher danach, sich zum Oberhaupt aller Christen in Italien aufzuschwingen. Und weil der Imperator ihm offenbar wieder freie Hand läßt, wird der Papst hier in Rom nicht weniger Haß und Zwietracht als in den anderen Städten säen«, sagte Calpurnia an diesem Morgen mit bedrückter Stimme zu Branwyn.
Die beiden Frauen befanden sich auf dem Weg zum Waisenhaus, nun hakte die Presbyterin sich wie haltsuchend bei ihrer Begleiterin unter und setzte hinzu: »Bereits vor zwei Jahren, unmittelbar bevor Liberius verbannt wurde, drohten aufgrund seiner Unduldsamkeit Mord und Totschlag. Nur durch das Eingreifen des Kaisers konnte damals eine Katastrophe verhindert werden. Doch jetzt, da Konstantius einlenkte, hat der Papst, wie sein Verhalten in Rhegium und Neapel beweist, wieder Oberwasser bekommen, weshalb wir das Schlimmste befürchten müssen.«
»Du meinst wirklich, Liberius könnte gewaltsam gegen diejenigen Christen vorgehen, die in theologischen Dingen nicht mit ihm übereinstimmen?« fragte Branwyn erschrocken.
»Wahrscheinlich wagt er es nicht sofort«, antwortete Calpurnia. »Aber den Boden dafür hat er durch seine Auftritte im Süden Italiens zweifellos bereitet. Außerdem heißt es, an Bord der päpstlichen Galeere befänden sich keineswegs nur Kleriker, sondern zudem eine starke Einheit thrakischer Söldner – und solche Kriegsleute hätte ein Hirte, der seine Herde friedlich zu weiden gedenkt, ganz gewiß nicht nötig.«
»Das ist richtig«, stimmte Branwyn zu.
»Vermutlich wird Liberius die Römer und insbesondere die Arianer mit Hilfe dieser Truppe zunächst einzuschüchtern versuchen«, fuhr Calpurnia fort. »Falls er damit seine Ziele jedoch nicht erreicht, ist er, wie ich ihn einschätze, sehr wohl imstande, zu den brutalen Mitteln eines Despoten zu greifen.«
Branwyn brauchte eine Weile, um diese Eröffnung zu verarbeiten, endlich stieß sie hervor: »Darf der Papst sich denn überhaupt als einen Christen bezeichnen, wenn er die tolerante und menschenfreundliche Lehre Jesu dermaßen mit Füßen tritt?!«
»Möglicherweise ist er kein Christ, ganz bestimmt aber ein kämpferischer Theologe, hinter dem die geballte Macht des Patriarchats steht«, erwiderte die Presbyterin bitter. »Und speziell die arianischen Gläubigen, die in unserer Stadt und anderswo ebenfalls Tausende zählen, sind ihm in seinem Drang zur Alleinherrschaft ein Dorn im Auge.«
Erneut legten sie schweigend ein paar Dutzend Schritte zurück, dann bat Branwyn: »Könntest du mir einmal genau erläutern, was es mit dem Arianismus auf sich hat? Zwar ist mir der Begriff nicht fremd, und ich lernte auch schon Arianer kennen, doch bisher fand ich es nicht besonders wichtig, mich näher mit dieser Form der christlichen Religion zu befassen.«
»Ja, so bist du«, kam es von Calpurnia, und nun lächelte sie wieder. »Die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten, Hoffnungen und kleinen Freuden bedeuten dir ungleich mehr als die Theologie, und genau deshalb hast du inzwischen die Herzen unserer Gemeindemitglieder gewonnen …«
Sie hielt inne, um einen auf seinem Eselskarren vorbeikommenden Milchhändler zu grüßen. Dann setzte Calpurnia das Gespräch fort: »Was aber nun den Arianismus angeht, so will ich dich gerne aufklären. Begründer dieser Lehre war der Presbyter Arius, der in der ägyptischen Stadt Alexandria lebte und dort vor etwa zwanzig Jahren verstarb. Zunächst tat Arius in seiner Eigenschaft als Gemeindepriester viel Gutes, erregte ansonsten jedoch wenig Aufsehen – bis er in einen schweren Konflikt mit Athanasius, dem alexandrinischen Patriarchen, geriet …«
Branwyn wandte erstaunt den Kopf und fragte: »Wie viele Patriarchensitze existieren eigentlich im Römischen Imperium?«
»Insgesamt fünf«, entgegnete Calpurnia. »Rom, Alexandria, Konstantinopel, Antiochia sowie Jerusalem – und von jedem dieser Zentren
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