Die Bischöfin von Rom
errichtet. Bei der Apsis hier um den Altar handelt es sich praktisch immer noch um die einstige Synagoge, und das Gewölbe bis zum Portal baute man an.«
»Müßte das Gotteshaus dann aber nicht Sancta Praxedis et Pudentiana heißen?« fragte Branwyn.
»Eigentlich schon, denn es ist beiden Schwestern gewidmet«, bestätigte Angela. »Da die Römer es jedoch meist schrecklich eilig haben, finden sie diesen Namen zu lang, und da wiederum Praxedis schneller auszusprechen ist als Pudentiana …«
»Ich verstehe«, schmunzelte Branwyn.
»Trotzdem ist es natürlich ungerecht gegenüber der armen Pudentia«, gab Angela zu. »Deshalb überlegt man auch, ob hier nicht eine zweite Kirche errichtet werden soll, die man dann eben Sancta Pudentiana nennen könnte.«
»Falls dieses Vorhaben eines Tages in die Tat umgesetzt wird, hoffe ich, daß das neue Gotteshaus einen ähnlich guten Geist atmet wie dieses alte«, sagte Branwyn versonnen und berührte abermals die verschliffenen Konturen des Davidsterns.
Danach betrachtete sie noch einmal das Mosaikbild, das den jüdischen Fischer und Gottsucher zeigte; zuletzt kniete sie an der Seite ihrer Freundin vor dem archaischen Altar nieder. Sie öffnete sich dem Wesen des ovalen Steins, der einst den guten Willen von Menschen unterschiedlichster Herkunft in sich aufgenommen hatte, und ließ die in ihm bewahrte spirituelle Kraft in sich strömen, bis tiefes Glücksgefühl sie erfüllte.
Aus dieser Stimmung heraus umarmte sie das Mädchen, das ihr das Geschenk gemacht hatte, sie hierher zu führen. Hand in Hand verließen sie schließlich Sancta Praxedis; während sie den schmalen Pfad am Nordhang des Esquilin wieder hinabstiegen, nahm Branwyn sich vor, die nach außen hin so unscheinbare Kirche nun öfter aufzusuchen.
***
Tatsächlich weilte sie im Verlauf des Herbstes, der in diesem Jahr bis zur ersten Dezemberwoche mild und sonnig blieb, noch mehrere Male unter dem Dach des kleinen Sakralbaues. Die Meditationen dort schenkten ihr Stärke für die Aufgaben, die sie in der Gemeinde Sancta Maria zu bewältigen hatte.
Zusammen mit Calpurnia sorgte sie dafür, daß im Dachgeschoß des Waisenhauses drei zusätzliche Räume ausgebaut wurden. Rechtzeitig ehe in der zweiten Dezemberhälfte das Wetter feuchtkalt und stürmisch wurde, konnten damit weitere obdachlose Kinder untergebracht werden und lebten sich den Winter über allmählich in die Gemeinschaft ein. Im Januar und Februar gab es darüber hinaus mehr als gewöhnlich im Hospital zu tun. Besonders die Versorgung der Patienten, die mit Lungenentzündungen oder anderen schweren Erkältungskrankheiten eingeliefert wurden, verlangte sehr viel Aufopferung der Pflegerinnen, und Branwyn stand ihnen zur Seite, wann immer sie weder in der Schule noch bei den Waisen gebraucht wurde.
In den letzten Februartagen dann, als die Römer bereits glaubten, die kalte Jahreszeit sei überstanden, plötzlich aber noch einmal ein Kälteeinbruch erfolgte, zog sich Calpurnia eine schwere Bronchitis zu. Vor allem in den Nächten quälte sich die betagte Frau mit heftigen Hustenanfällen; abwechselnd saßen ihre Tochter Camilla, Branwyn und Angela an ihrem Bett und versuchten ihr zu helfen, indem sie ihr zwischen den Attacken Kräutersud einflößten und Brustwickel anlegten. Trotzdem dauerte es länger als eine Woche, bis die Presbyterin sich allmählich besser fühlte, und erst in der zweiten Märzhälfte war sie imstande, ihre vielfältigen seelsorgerischen und sozialen Pflichten wiederaufzunehmen.
Kaum freilich war Calpurnia genesen, mußte sie einen weiteren Schlag hinnehmen. Denn jetzt, im zeitigen Frühjahr 358, gelangte die Nachricht aus Konstantinopel in die Tiberstadt, daß Kaiser Konstantius die Verbannung des Papstes Liberius aufgehoben habe und das Oberhaupt des Patriarchats schon in Bälde nach Rom zurückkehren werde. Dies aber, so befürchtete die Presbyterin, werde das Leben für ihre und andere christliche Gemeinden, die sich um tätige Nächstenliebe und Toleranz bemühten, sehr viel schwerer machen.
Der Kirchenfürst
Junihitze brütete über der Stadt und heizte die ohnehin erregte Stimmung weiter auf. Die Rückkehr des Papstes aus der Verbannung in Thrakien konnte nur noch eine Frage von ein oder zwei Tagen sein. Schon Anfang Mai hatten Boten gemeldet, daß Liberius, nachdem er sich auf der griechischen Insel Korfu mit Kaiser Konstantius getroffen habe, nach Kalabrien übergesetzt sei. Wenig später waren Nachrichten angelangt,
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