Die Bischöfin von Rom
ihren Arm unter den ihrer Begleiterin und bewog sie so dazu, weiterzugehen. »Doch gottlob gibt es noch immer starken Widerstand gegen das athanasianische Dogma, und es gelang seinen Verfechtern bisher nicht, es überall im Imperium durchzusetzen. Trotz der Verfolgungen und Zurücksetzungen vermochten die Arianer sich zu behaupten; zahlreiche ihrer Gemeinden, hier in Rom und anderswo, blieben weitgehend intakt. Nunmehr freilich, da Liberius zurückkehrt, wächst die Gefahr wieder, und ich fürchte, auch wir in Sancta Maria werden uns aus den zu erwartenden Auseinandersetzungen kaum heraushalten können.«
»Obwohl die Kirchengemeinde, die du leitest, der arianischen Glaubensrichtung gar nicht angehört …« murmelte Branwyn.
»Das ist so, weil es mir in meinen Predigten immer genügte, zu tätiger Nächstenliebe und Barmherzigkeit aufzurufen, und die Theologie für mich stets zweitrangig war«, antwortete die Presbyterin. »Aber unbestritten hängen die Menschen, die mir anvertraut sind, traditionell der alten Lehre an. Allein aus diesem Grund stehen sie und ich den Glaubenssätzen des Arius ungleich näher als der Dogmatik des Patriarchats, und außerdem lehnen wir natürlich den autokratischen Machtanspruch des Liberius ab, der sich mit dem evangelischen Geist des Miteinander nicht im mindesten vereinbaren läßt.«
»Wenn ich es richtig sehe, dann werden sich auf römischem Boden in Zukunft zwei große theologische Lager bekämpfen, während wir in Sancta Maria sozusagen eine dritte Kraft bilden, die zwar ebenfalls arianisch ausgerichtet ist, jedoch abseits des Streits der Theologen ganz einfach die Werte der Menschlichkeit vertritt«, stellte Branwyn nachdenklich fest.
»Ja, und genau das ist unsere Stärke!« entgegnete Calpurnia mit fester Stimme. »Unsere Kraft erwächst schlicht aus der Nachfolge Jesu im täglichen Leben – und dies wird uns, so hoffe ich, die kommenden schwierigen Zeiten überstehen lassen.«
Gleich darauf erreichten die beiden Frauen das Waisenhaus, vor dem eine Gruppe kleinerer Kinder spielte. Als sie die Presbyterin und Branwyn gewahrten, rannten sie ihnen mit freudigem Geschrei entgegen. Branwyn fing einen dreijährigen Jungen in ihren Armen auf; während sie es tat, ertappte sie sich bei dem Wunsch, daß widrige Winde oder andere unvorhergesehene Umstände das Eintreffen der päpstlichen Galeere im Hafen von Ostia wenigstens noch um ein paar Tage verzögern würden.
***
Es vergingen allerdings kaum sechsunddreißig Stunden, dann meldeten mehrere, von der Porta Portuensis und der Porta Ostiensis heransprengende Boten, die Umhänge in den päpstlichen Farben trugen, die Ankunft des Liberius im Seehafen der Stadt. Einer von ihnen zügelte sein schaumbespritztes Roß auf dem Platz vor der Kirche Sancta Maria und rief den aufgestörten Bürgern zu: »Morgen mittag wird der Papst über die Via Portuensis in Rom einziehen! Erzbischof Liberius erwartet von allen wahren Gläubigen, daß sie ihm und in seiner Person Gott die Ehre erweisen! Die kirchentreuen und nicht von der Seuche der arianischen Ketzerei befallenen römischen Christen, die bekanntlich das Privileg genießen, unter der besonderen Obhut des Patriarchats zu stehen, sollen sich daher so zahlreich wie möglich zu seinem Empfang versammeln!«
Danach galoppierte der Kurier zur Flußbrücke weiter, die über die Insula Tiberina zu jenem Stadtviertel führte, auf dessen höchster Erhebung das Capitol stand. In Trans Tiberim wiederum ging die Kunde von der nun unmittelbar bevorstehenden Rückkehr des Papstes von Mund zu Mund, und einige aufgeregte Handwerkerfrauen brachten sie schließlich auch zu Calpurnia und Branwyn, die sich wie am Tag zuvor im Waisenhaus aufhielten.
Als die Presbyterin vernahm, welche Formulierungen der Bote gebraucht hatte, erbleichte sie und äußerte: »Ganz ohne Zweifel sucht Liberius von der ersten Stunde an die Konfrontation. Er wird bei uns ähnlich rigoros wie bereits in Rhegium und Neapolis gegen die Arianer vorgehen und läßt sie aus diesem Grund schon jetzt von seinen Kurieren provozieren.«
»Wenn das seine Absicht ist, wäre es sehr klug von den arianischen Christen, sich möglichst bedeckt zu halten«, entgegnete Branwyn.
»Das würde die Vernunft raten«, pflichtete Calpurnia ihr bei. »Doch leider gibt es auf seiten der Arianer ebenfalls Scharfmacher, und falls diese Leute sich durchsetzen, droht durchaus die Gefahr eines Zusammenpralls!«
»Es wird Mord und Totschlag geben!« klagte
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