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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Unberechenbareres als diese Sommerstürme, die von Irland herüberkommen …« Er unterbrach sich, weil Branwyn zusammengezuckt war, und erkundigte sich besorgt: »Was ist mit dir? Hast du Schmerzen? Haben die Hagelkörner dich verletzt?«
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Nein, mir fehlt nichts. Ich friere nur ein bißchen …« Als er ihr fürsorglich das Plaid umlegte und sie in seine Arme zog, dachte sie: Und doch ist da irgend etwas … Etwas, das vielleicht mit diesen so unversehens über das Meer rasenden Stürmen zu tun hat … Aber ich kann es nicht herausfinden … Ebensowenig wie gestern …
    Sie wollte der seltsamen Stimmung nicht länger nachgeben, und tatsächlich gelang es ihr, sich in seiner Umarmung zu entspannen. »Es tut so gut, wie du mich wärmst«, flüsterte sie. Gleich darauf verscheuchte das Gefühl des Geborgenseins an seiner Brust die Beklemmung, die sie abermals verspürt hatte – und dann fielen ihr die Schafe ein. »Wir sollten besser nach den Tieren sehen«, sagte sie. »Vielleicht ist eins von ihnen auf der Flucht vor dem Unwetter verunglückt und braucht unsere Hilfe.«
    »Du hast recht«, nickte er. »Doch wir gehen nur, wenn mit dir wirklich alles in Ordnung ist.«
    Sie bestätigte es ihm, indem sie nach seiner Hand griff und ihn durch die Ginsterbüsche zog. Als sie aus dem Windschutz der Felsen kamen, spürten sie, wie sehr die Luft sich abgekühlt hatte. Von den Rispen des Heidekrauts perlte die Feuchtigkeit; da und dort hatten die Sturmböen Furchen in den Pflanzenteppich gepflügt, und in den Senken, wo der Farn gedieh, lagen die Wedel teilweise flach auf der Erde. Was die Schafherde anging, so war weit und breit nichts von ihr zu sehen; Branwyn und Dafydd mußten fast bis zum äußersten Ende des Inselplateaus laufen, ehe sie die Tiere entdeckten.
    Das Rudel hatte sich in eine Bodenmulde zurückgezogen und nach dem Gewittersturm an Ort und Stelle wieder zu grasen begonnen. Jetzt, als der Widder, den sie vom Dorf heraufgebracht hatten, Branwyn witterte, blökte er freudig, kam heran und drängte sich an sie. Erleichtert streichelte die junge Frau ihn, anschließend zählten sie und Dafydd die Herde durch. Obwohl sie sich danach ziemlich sicher waren, daß kein Schaf fehlte, suchten sie auch noch die Umgebung der Mulde ab: vor allem einen Klippenabbruch, der ungefähr hundert Schritte weiter schroff abfiel und wo ein versprengtes Tier sich leicht hätte zu Tode stürzen können. Doch zwischen den Felsen tief unten war kein Kadaver auszumachen; zudem kreisten die Möwen friedlich in der Luft, statt sich irgendwo um Beute zu balgen.
    »Wie es aussieht, ist für die Schafe gottlob alles glimpflich abgegangen«, erklärte Dafydd schließlich. »Und das ist immerhin ein Trost, nachdem andererseits wir dermaßen vom Regen in die Traufe kamen …«
    »Es war trotzdem unsagbar schön«, tröstete die junge Frau ihn und sich. »Außerdem wäre uns sowieso nicht mehr sehr viel Zeit geblieben, denn die Sonne steht schon schräg.«
    »Ja, wir müssen aufbrechen«, pflichtete ihr Dafydd bei. »Aber wir wollen bald wieder hier heraufkommen, nicht wahr?«
    Branwyn antwortete ihm mit einem Kuß. Dann kletterten sie vom Klippensaum und gingen auf dem Pfad, den sie auf dem Herweg durch das feuchte Heidekraut getreten hatten, zurück. Die Spur irisierte zunächst noch im goldenen Licht des Spätnachmittags; wenig später, weil erneut Wolken von Westen herantrieben und über den äußersten Inselrand zogen, glitten dunkle Schatten über sie hin.
    Branwyn und Dafydd bemerkten nichts davon; sie befanden sich jetzt bereits an der Stelle, wo sie sich unter freiem Himmel geliebt hatten. Die junge Frau empfand ein leichtes Gefühl von Wehmut, als ihr Gefährte sie dort noch einmal in die Arme nahm; die leicht melancholische Stimmung hielt an, bis der schlüpfrige Steig, der von der Hochebene talwärts führte, ihre ganze Aufmerksamkeit forderte und sie dadurch ablenkte.
    An den schwierigsten Wegstellen war Dafydd ihr behilflich; endlich wurde der Pfad breiter, so daß sie Hand in Hand nebeneinander gehen konnten. Im Südwesten der Ynys Vytrin hing der Sonnenball nun schon tief über dem Meer, und als sie schließlich in der Ferne das Dorf sahen, berührte die rotglühende Scheibe soeben die Kimmung.
    Sie blieben stehen, ihre Gesichter waren ins letzte Licht des Tages gebadet. Nach einer Weile fragte Dafydd leise: »Kommst du noch mit zu mir?«
    »Gerne!« erwiderte sie lächelnd und dachte

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