Die Bischöfin von Rom
Eilands. Zunächst war der Pfad noch bequem zu begehen; während sie ihm folgten, fand Branwyn Gelegenheit, Dafydd von der Begegnung Arianrhods und Lugs über dem Heiligtum der Göttin zu erzählen. Bald jedoch wurde der Steig steiler und führte zudem teilweise über von Sturm und Regen glattgeschliffenes, feuchtes und damit schlüpfriges Gestein. An solchen Stellen mußten sie jeden Schritt mit Bedacht setzen, der Schafbock hingegen meisterte die schwierigen Passagen mit Leichtigkeit und schien noch Spaß daran zu finden. In der Mitte des Vormittags endlich war das nur noch mäßig geneigte Inselplateau erreicht. Hier oben hatten Wind und Wetter den Fels verwittern lassen und – ähnlich wie im Tal, wo das Dorf stand – eine Erdschicht gebildet, auf der Pflanzenwuchs gedeihen konnte. Weil diese kräftigen Gräser und Kräuter außerdem besonders nahrhaft waren, wurden jedes Jahr zu Beginn des Sommers die Schafe der Ansiedlung auf die Hochebene getrieben.
Jetzt sollte auch der Widder aus Aberdaron hier weiden und das Blut der Herde auffrischen – und er schien sich vom ersten Augenblick an in seiner neuen Umgebung heimisch zu fühlen. Denn kaum erspähte er das Rudel, das sich weit draußen verstreut hatte, blökte er auch schon sehnsüchtig dort hinüber und zerrte am Strick. Mit einiger Mühe befreite Branwyn ihn, dann blickten sie und Dafydd ihm lachend nach, wie er über das Heideland davonpreschte.
»Er wird es gut haben hier oben«, sagte die junge Frau, als der Schafbock verschwunden war. »Und wir haben uns nun eine Ruhepause verdient …« Sie nahm ihr Plaid ab, breitete es zwischen einigen Wacholderbüschen aus und machte es sich auf dem karierten Wollstoff bequem.
Dafydd kniete neben ihr nieder; zärtlich streichelte er über ihr Haar, auf dem Sonnenreflexe spielten. Sie genoß die Berührung und schmiegte ihre Wange in seine Hand – doch plötzlich knurrte ihr Magen und erinnerte sie daran, daß sie wegen des Rituals heute noch keinen Bissen zu sich genommen hatte.
»Ach, du Ärmste! Du mußt ja schrecklich hungrig und durstig sein!« Dafydd löste sich von ihr, nahm seine prall gefüllte lederne Umhängetasche von der Schulter und öffnete sie. »Aber da ich das Gebot deiner Göttin, nüchtern an ihrem Born zu erscheinen, kenne, habe ich vorgesorgt …« Damit brachte er einen goldbraunen Brotlaib, mehrere große, in Huflattichblätter eingeschlagene Stücke Räucherlachs sowie einen Bund frischer Pastinaken zum Vorschein. Zudem hatte er einen Tonkrug bei sich, und als er den Pfropfen aus dem schmalen Gefäßhals zog und ihr den Krug reichte, roch Branwyn den Duft von Apfelmost.
»Du bist ein Schatz, Dafydd!« seufzte sie und griff zu. Herrlich erfrischend prickelte das vergorene Getränk in ihrer Kehle.
»Natürlich bin ich das!« schmunzelte der Mann an ihrer Seite, während er das Brot zerschnitt und eine Scheibe für sie mit dem würzigen Lachsfleisch belegte. »Auch wenn du es nicht lassen kannst, mich zum Dank dafür ständig aufzuziehen …«
»Ich werde es bestimmt nie wieder tun! Das schwöre ich dir!« beteuerte Branwyn.
»Und das soll ich dir glauben?« verwahrte sich Dafydd. »Ich sehe es dir doch an, daß du schon wieder etwas im Schilde führst!«
Die junge Frau setzte zu einer Entgegnung an, doch mit einem raschen »Nein, keine Widerrede!« kam ihr Dafydd zuvor – und schob ihr unversehens das Lachsbrot zwischen die Zähne.
Um sich nicht zu verschlucken, mußte Branwyn wohl oder übel schweigen; gleich darauf freilich revanchierte sie sich, indem sie ihrem triumphierend grinsenden Geliebten eine Pastinakenwurzel in den Mund stopfte. Daraus entwickelte sich eine übermütige Balgerei, bei der sie sich gegenseitig mit den schmackhaftesten Happen fütterten, bis sie schließlich vor Lachen innehalten mußten. Danach aßen sie gesitteter weiter und tauschten zwischendurch kleine Zärtlichkeiten aus. Nachdem sie ihr Mahl beendet hatten, teilten sie sich den Apfelmost, der noch im Tonkrug übriggeblieben war.
Branwyn saß nun zwischen Dafydds Beinen und hatte ihren Hinterkopf an seine Schulter gelehnt. Verträumt blickte sie über die Hochebene, die sich, in warmes Sonnenlicht gebadet, vor ihnen ausbreitete. Die weiter draußen weidenden Schafe waren helle, flaumige Flecken im Rot und Violett des Heidekrauts, dem Gelb des Ginsters und dem Dunkelgrün des Farns, der da und dort in einer feuchten Senke stand. Tief unten glitzerte die See und malte einen weißen Saum
Weitere Kostenlose Bücher