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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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hütest, das Ihrige dazu getan haben könnte.«
    Dieses Bestreben, niemanden zurücksetzen zu wollen, war bezeichnend für den christlichen Priester mit dem eher schmächtigen Körperbau und dem weißen Haarkranz über der hohen Stirn. Während Branwyn ihm zum Dank für seine Toleranz ein Lächeln schenkte, überlegte sie: Die Menschen seiner Gemeinde bezeichnen ihn gerne als Vater Jacwb, und das paßt wirklich zu ihm. Denn wie ein gutes Familienoberhaupt ist er stets um Gerechtigkeit gegenüber den Seinen bemüht und ist zudem bei Tag und Nacht für jeden da, der seine Hilfe braucht. Und das leistet er, obwohl er gewiß nicht die breitesten Schultern unter den Dorfbewohnern besitzt …
    Plötzlich konnte sie nicht anders, als die Hand auszustrecken, um die des Priesters zu berühren. »Ohne dich wäre das Leben auf unserer Insel sehr viel ärmer«, sagte sie in warmem Tonfall. »Und es tat mir vorhin gut, die Worte Jesu zu hören, die ihr zusammen vor dem Altar gesprochen habt.«
    Jacwbs dunkle Augen leuchteten auf. »Ich glaube, das Gebet war durchaus auch im Sinne deiner Göttin«, erwiderte er. »Überhaupt birgt ja die Lehre Christi sehr viel Weibliches in sich, und dies liegt sicher daran, daß der Galiläer die Frauen nicht geringer achtete als die Männer.«
    »Zum Beispiel Mirjam von Magdala, die nicht nur meine Namenspatronin ist, sondern vor allem sein geliebtes Weib war«, warf Dafydds Mutter ein. »Sie ehelichte er auf der Hochzeit von Kanaan, und von da an war sie seine vertrauteste Gefährtin, bis er durch die Schuld der Römer ans Kreuz geschlagen wurde.«
    Der Priester nickte, dann erklärte er: »Eine Gemahlin, die mit ihrem Gatten durch dick und dünn geht, ist ein Geschenk des Himmels. Ich weiß es nur zu gut, denn ohne meine eigene Frau, mit der zusammen ich vier Kinder großgezogen habe, hätte ich nie zu dem werden können, der ich bin. – Und auch Paulus, der die Botschaft Christi nach Griechenland und Rom trug, lehrte den hohen Wert der Ehe für alle Gläubigen. Den ersten Presbytern der von ihm gegründeten Gemeinden, in deren Nachfolge ich stehe, gab er auf, zu heiraten, nach Kräften für ihre Familien zu sorgen, aber auch anderen Menschen Gutes zu tun.«
    »So steht es in den Paulusbriefen, deren lateinische Übersetzungen du in deinem Haus aufbewahrst«, bestätigte Branwyn. »Ich erinnere mich noch gut daran, wie du sie mir zu lesen gabst.«
    »Und ich werde niemals vergessen, wie wißbegierig du warst«, schmunzelte Jacwb. »Eines Tages, du kannst damals höchstens neun Jahre alt gewesen sein, kamst du zu mir und wolltest um jeden Preis die Sprache der Evangelien erlernen, von denen Penarddun dir erzählt hatte. Zuerst dachte ich, es handle sich nur um die Laune eines kleinen Mädchens, und versuchte es dir auszureden. Doch dein Wille war stärker als meiner; schließlich gab ich nach, wofür ich Gott noch heute danke. Denn eine begabtere Schülerin als dich hätte ich nicht finden können. In dem Kloster weit im Landesinneren, wo ich in meiner Jugend studierte, quälten sich die meisten von uns schrecklich mit den fremdartigen Vokabeln und noch mehr der Grammatik ab. Dir jedoch schien alles richtiggehend zuzufliegen. Schneller als jeder andere, den ich kannte, warst du in der Lage, die lateinische Sprache flüssig zu lesen und zu sprechen. Später dann verbrachten wir so manche Stunde zusammen, um uns über die Lehren der Heiligen Schrift auszutauschen.«
    »Daran denke ich oft zurück«, sagte Branwyn versonnen. »Und eigentlich könnten wir uns demnächst wieder einmal in die Schriften vertiefen. Bald begehen wir Lugnasad, das eurem Erntedankfest entspricht, und nachdem wir vereinbart haben, daß ihr Christen und wir Anhänger der alten Götter heuer gemeinsam feiern wollen, könnte es nicht schaden, nach Übereinstimmungen zwischen eurer und unserer Lehre zu forschen.«
    »Abgemacht!« entgegnete Jacwb erfreut. »Wir werden gewiß einen anregenden Disput haben – ganz so, wie es lange vor unserer Zeit geschah, als die ersten Anhänger Jesu nach Gwynedd kamen und in friedlichem Wettstreit mit den hier bereits seit Jahrhunderten wirkenden Druiden nach Weisheit suchten.«
    »Könntest du uns mehr davon erzählen?« regte Dylann an.
    Als Jacwb zustimmte, bat Mirjam: »Aber warte bitte noch, bis ich das Geschirr abgeräumt habe.«
    Branwyn war ihr dabei behilflich; nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, begann der Priester: »Schon kurz nach der Kreuzigung Christi landete eine

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