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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Wasser zuletzt den harten Stein aushöhlt. In unserem Fall bedeutet das, insgeheim den friedlichen Widerstand gegen Liberius zu organisieren, bis wir stark genug sind, ihn ohne Blutvergießen abzusetzen und an seiner Stelle einen würdigeren Papst oder womöglich auch eine Päpstin zu wählen.«
    »Das wäre ein Segen für Abermillionen Menschen!« Es war Branwyn anzusehen, wie sehr die Vorstellung sie faszinierte; gleich darauf jedoch murmelte sie: »Aber ihr seid nur wenige und könnt, wie du eben selbst sagtest, nur heimlich agieren …«
    »Trotzdem ist unser Vorhaben nicht aussichtslos!« beteuerte der Notarius. »Zwar zählt unsere Gruppe tatsächlich bloß eine Handvoll Eingeweihter, und wir müssen, zumindest derzeit, so vorsichtig sein, daß ich dir nicht einmal die Namen der anderen nennen dürfte – doch ungeachtet dessen verfügen wir schon heute über gewisse Möglichkeiten, die du nicht unterschätzen solltest.«
    »Nämlich?« wollte Branwyn wissen.
    »Wir können zum Beispiel die karitative Arbeit in ausgesuchten Kirchensprengeln, etwa deinem, durch Geldmittel aus dem Schatz des Patriarchats unterstützen«, erwiderte Acacius.
    »Das ist nicht dein Ernst! Der Papst würde nie …« Branwyn besann sich, dann fügte sie hinzu: »Du meinst, ihr seid imstande, hinter seinem Rücken Geld abzuzweigen?«
    »Fändest du das verwerflich?« fragte der Notarius.
    »Nicht unbedingt«, entgegnete Branwyn. »Denn der Reichtum des Patriarchats stammt größtenteils aus Kirchensteuern und sollte daher auch für kirchliche Zwecke verwendet werden.«
    »So wie es ursprünglich gehalten wurde«, bestätigte Acacius. »Und nachdem wir uns in dieser Sache einig sind, bin ich ermächtigt, dir die Summe von dreihundert Sesterzen anzubieten, die du nach Gutdünken für die Bedürftigen in deiner Gemeinde verwenden kannst.«
    »Das … das willst du wirklich für Sancta Maria tun!« Branwyn strahlte über das ganze Gesicht. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll!«
    »Das mußt du nicht«, lächelte Acacius. »Aber vielleicht hast du schon eine Idee, wie du das Geld verwenden willst?«
    »Und ob ich die habe!« antwortete Branwyn. »Deine … Spende soll den Waisen zugute kommen. Noch zu Lebzeiten Calpurnias planten wir, das Heim zu erweitern, und mit deiner Hilfe kann der Anbau nun sofort in Angriff genommen werden!«
    »Siehst du, genau darum geht es!« stellte Acacius fest. »Wenn du das Waisenhaus ausbaust, demonstrierst du wahres Christentum und sammelst dadurch glühende Kohlen auf dem Haupt des Papstes, der gleich einem Fürsten im Lateranpalast residiert und sich keinen Deut um die Armen und Benachteiligten in Rom schert. Auf diese Weise wird seine Position geschwächt und die unserer Gruppe gestärkt …«
    Er unterbrach sich. »Doch vielleicht hast du das Gefühl, ich vereinnahme dich, wenn ich dich als eine von uns bezeichne. Aber nach dem fruchtbaren Gespräch mit dir empfinde ich so …«
    »Mit geht es ähnlich«, gestand Branwyn. »Ich bin sehr froh, dich kennengelernt zu haben … und hoffe, wir werden uns von nun an häufiger sehen.«
    »Bereits in den nächsten Tagen«, versprach Acacius. »Schließlich muß ich dir ja so schnell wie möglich die dreihundert Sesterzen bringen.«
    »Ach ja, richtig«, erwiderte die junge Frau, die soeben gar nicht mehr an das Geld gedacht hatte. »Wollen wir uns … wieder hier in der Kirche treffen?«
    »Wäre es dir übermorgen recht?« erkundigte sich Acacius. »Zur selben Stunde wie heute?«
    »Sehr gerne!« Branwyn reichte ihm die Hand.
    Wieder löste die körperliche Berührung prickelnde Erregung in ihr aus, stärker noch als beim erstenmal. Für einen Moment wünschte sie sich, er würde sie in die Arme nehmen; gleichzeitig spürte sie, es könnte geschehen, falls sie ihm nur ein klein wenig entgegenkam.
    Doch dann war der Augenblick, der es möglich gemacht hätte, vorüber. Beinahe betreten erhoben sie sich und legten die kurze Distanz bis zum Altar wortlos zurück. Dort verabschiedete sich der Notarius; Branwyn schaute ihm nach, bis das Portal hinter ihm zufiel, und tastete anschließend wie haltsuchend nach dem kühlen Altarstein.
    Erst mit Einbruch der Nacht kehrte sie ins Atriumhaus heim. Sie war froh, niemanden anzutreffen, holte sich in der Küche ein Stück Brot, einen Bissen Käse und ein Glas Wein und trug das Tablett auf ihr Zimmer. Sie setzte sich ans Fenster, blickte lange in die Dunkelheit hinaus und vergaß den Imbiß. Endlich, als

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