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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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auch deine Lebensgeschichte erfahren. Ich weiß ja nur, daß du Britannierin bist und vor einigen Jahren nach Rom kamst, doch du hast bisher nie über die Gründe gesprochen, die dich dazu bewogen.«
    »Heute will ich es tun«, antwortete die junge Frau. Dann schilderte sie ihm ihre Kindheit und Jugend auf der Ynys Vytrin im Nordwesten Cymrus; sie erzählte, wie sie sich später in Dafydd verliebt und die Hochzeit mit ihm geplant hatte, und wie ihr Glück durch den Piratenüberfall zerstört worden war. Sie berichtete von dem harten Winter, den sie nach ihrer Flucht im Bergmassiv des Eryri Gwyn durchgestanden hatte, und wie schließlich im Frühling 355 Eolo Goch, der Barde, aufgetaucht war und sie dazu überredet hatte, mit ihm nach Süden zu wandern. Sie verschwieg Acacius nicht, daß Eolo sich in sie verliebt hatte, und schloß: »Aber ich war damals, in Avalon, nicht fähig, seine Zuneigung aus ganzem Herzen zu erwidern, denn der Schock über den Verlust meines Verlobten saß noch viel zu tief. Also trennten wir uns, und der Barde reiste weiter nach Tintagel. Ich hingegen hatte wenig später eine Vision, die mich nach Rom rief. So machte ich mich auf den Weg und kam nach weiteren Fährnissen in Gallien und in den Grajischen Alpen, wo ich durch die Schuld des Kaufherrn Paulinus Lupus um ein Haar mein Leben verloren hätte, nach Italien.«
    »Von dem Verbrechen des Reliquienhändlers an dir hörte ich bereits vorletzten Herbst, als du die Auseinandersetzung auf dem Forum Romanum mit ihm hattest und damit für Gesprächsstoff in der ganzen Stadt sorgtest!« Es war dem Notarius anzusehen, wie sehr die Erinnerung ihn aufwühlte. »Doch du zahltest es ihm heim, und ich hoffe, eines Tages wird Paulinus außerdem seine Strafe von Gott bekommen!«
    »Auf jeden Fall wissen die Menschen in Rom jetzt über ihn Bescheid und werden ihm gewiß nicht noch einmal auf den Leim gehen«, versetzte Branwyn.
    Acacius nickte, dann fragte er: »Du erwähntest soeben, du hättest Britannien aufgrund einer Vision verlassen?«
    »Ja, ich empfing in Avalon einen andersweltlichen Ruf«, bestätigte die junge Frau. Sie erzählte ihm von den näheren Umständen und sagte zuletzt: »Ich bin überzeugt davon, daß ich nach Trans Tiberim geführt wurde, und seit ich in der Gemeinde Sancta Maria wohne, habe ich alles andere hintangestellt, um die Aufgabe, die mir übertragen wurde, zu erfüllen.«
    Acacius griff nach ihrer Hand. »Das heißt … du hast über Jahre hinweg auf die Liebe eines Mannes verzichtet?«
    Branwyn verflocht ihre Finger mit seinen und erwiderte leise: »Es dauerte sehr lange, bis ich den Verlust Dafydds überwunden hatte. Und noch vor wenigen Wochen hätte ich mir nicht vorstellen können, je wieder mit einem anderen glücklich zu sein …«
    »Aber heute … könntest du es?« Acacius' Augen forschten in ihren; sie fühlte, wie viel für ihn von ihrer Antwort abhing.
    »Vielleicht …« flüsterte sie. »Doch wir haben uns erst vor neun Tagen kennengelernt …«
    »Und du brauchst Zeit …« Seine Stimme klang weich und zärtlich. »Das kann ich sehr gut verstehen …«
    »Danke!« Sie beugte sich vor, küßte ihn sanft und spürte, wie seine freie Hand ihren Nacken liebkoste. Ein süßer Schauer lief ihr Rückgrat entlang; einen Moment war sie versucht, sich fallenzulassen, aber dann entzog sie sich ihm behutsam.
    Er nahm es hin, legte seinen Arm um ihre Schultern und schenkte ihr so Geborgenheit. Sie genoß seine innige Nähe; eine Weile saßen sie schweigend da, und sie empfand, wie das Vertrautsein zwischen ihnen wuchs. Wohltuende Ruhe durchströmte sie; mit geschlossenen Augen lauschte sie auf seinen Atem, ihre Brust hob und senkte sich im selben Rhythmus wie seine. Schließlich, als sie ihr Gespräch wiederaufnahmen, geschah es in völlig entspannter, fast träumerischer Atmosphäre; unbeschwert redeten sie miteinander, bis sie gewahr wurden, daß die Sonne nun schon tief über dem Horizont stand.
    Mit dem letzten Tageslicht kehrten sie nach Rom zurück. Bei den Caracalla-Thermen verabschiedeten sie sich mit einer Umarmung; zuvor hatten sie für das nächste Wochenende erneut einen Ausflug vereinbart. Dann, während Branwyn am Celiushügel entlang in Richtung Tiber weiterging, wurde ihr bewußt: Sie vermißte Acacius bereits jetzt und würde jeden Tag bis zum Wiedersehen mit ihm zählen.
    ***
    Selbstverständlich blieb den Bewohnern des Atriumhauses die Veränderung in Branwyns Wesen nicht verborgen.

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