Die Bischöfin von Rom
Gemeindevorsteher sofort in sein okkupiertes Amt eingeführt. Damit war der Kirchensprengel von Sancta Maria Maiora, dessen Angehörige sich seit Generationen zur Lehre des Arius bekannt hatten, sowohl juristisch als auch faktisch unter die Zwangsherrschaft des Patriarchats geraten; künftig würde katholische Dogmatik an die Stelle der früheren Glaubensfreiheit treten.
Angesichts dieses neuerlichen zynischen Anschlags gegen den Geist der Evangelien erreichte die Empörung unter den aufrechten Christen der Stadt ihren Siedepunkt. Dort wo die Gemeinden ihre Unabhängigkeit bislang noch bewahrt hatten, wurde erregter denn je diskutiert. Allmählich kristallisierte sich die Meinung heraus, daß entschlossene Selbsthilfe jetzt das einzig praktikable Mittel gegen die verbrecherischen Aktivitäten des Patriarchen von Rom sei. Schließlich, mittlerweile war es Mitte März geworden, vereinbarten die Repräsentanten verschiedener, nichtkatholischer Kirchensprengel, sich am folgenden Sonntag in Sancta Praxedis zu treffen, um den gemeinsamen Widerstand gegen Liberius zu organisieren.
***
Selbstverständlich war auch Branwyn zu dieser Zusammenkunft geladen. Silvia, die Presbyterin der genannten Gemeinde, hatte ihr einige Tage vorher zudem angedeutet, gerade ihre Anwesenheit werde von vielen, mit denen sie gesprochen habe, als besonders wichtig angesehen.
Branwyn bezog dies in ihrer Bescheidenheit weniger auf die eigene Person, sondern in erster Linie auf die soziale Bedeutung ihres Kirchensprengels. Dank der finanziellen Hilfe, die ihr Acacius im vergangenen Sommer heimlich hatte zukommen lassen, war der Anbau des Waisenhauses inzwischen abgeschlossen. Erst vor kurzem hatte sie zusätzlich zehn obdachlose Kinder aufnehmen können, und sie wußte, daß das Patriarchat durch derartige Maßnahmen bloßgestellt wurde. Vielleicht, so überlegte sie nach dem Gespräch mit Silvia, würde es ihrem Geliebten möglich sein, weitere Mittel locker zu machen, um den gemeinsamen Gegner dadurch in den Augen der Römer zu beschämen; nicht nur in Trans Tiberim bestand ja dringender Bedarf an Einrichtungen für die Schwachen und Bedürftigen.
Am Vorabend des Sonntags, für den die Versammlung in Sancta Praxedis anberaumt war, machte sie gegenüber Acacius einen entsprechenden Vorstoß. Einmal mehr hatte sich das Paar in seinem Liebesnest zwischen Capitol- und Palatinhügel getroffen; als Branwyn ihr Anliegen vorbrachte, hörte Acacius aufmerksam zu, dann antwortete er: »Grundsätzlich bin ich gerne bereit, zu helfen, das weißt du. Allerdings wird es einige Zeit dauern, ehe meine Freunde und ich erneut unbemerkt Geld aus dem Vermögen des Patriarchats abzweigen können. Ich werde mich aber auf jeden Fall bemühen, dir eine größere Summe zu verschaffen; ein paar Monate wirst du dich allerdings gedulden müssen.«
»Du bist ein Schatz!« Branwyn bedankte sich mit einem Kuß und fuhr fort: »Daß du das Geld sofort aus dem Ärmel schütteln könntest, erwartete ich sowieso nicht. Außerdem muß ohnehin erst beschlossen werden, wie es verwendet werden soll. Doch da ich nun deine Zusage habe, kann das vielleicht gleich morgen bei unserer Zusammenkunft geschehen …«
»Wovon redest du?« unterbrach der Notarius sie erstaunt.
»Ach richtig, ich erzählte dir noch gar nicht davon«, erwiderte Branwyn und berichtete ihrem Geliebten von dem Treffen, das am nächsten Tag in Sancta Praxedis stattfinden sollte.
Nachdem sie geendet hatte, stand Acacius wortlos auf, ging zum Fenster und starrte in die Nacht hinaus.
Branwyn wartete einen Moment ab, dann begab sie sich zu ihm, schmiegte sich an seinen Rücken und flüsterte: »Ich verstehe deine Enttäuschung darüber, daß wir uns morgen nicht sehen können. Auch ich bedauere es – aber ich darf der Zusammenkunft unter gar keinen Umständen fernbleiben.«
»Es geht nicht darum, ob ich enttäuscht bin oder nicht!« schnappte Acacius. »Vielmehr hege ich schwere Bedenken, ob das, was du tust, richtig ist?!«
»Was sollte daran falsch sein?!« konterte Branwyn und löste sich von ihm. »Es ist doch wirklich dringend nötig, dem Papst organisierten Widerstand entgegenzusetzen!«
»Das mag sein.« Acacius wandte sich endlich zu ihr um. »Aber ich habe den Eindruck, du begreifst nicht, in welche Gefahr du dich begibst, wenn du an der Versammlung teilnimmst!«
»Du sorgst dich um mich? Deshalb warst du eben so schroff?« Ein weicher Unterton schwang in Branwyns Stimme mit, gleich darauf jedoch
Weitere Kostenlose Bücher