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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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besuchte ökumenische Andachten, zu denen – um den positiven Anstoß, den Julian gegeben hatte, in die Tat umzusetzen – ausdrücklich auch Andersgläubige, darunter Vertreter einer benachbarten jüdischen Gemeinde, eingeladen wurden.
    Dem Patriarchat blieb dies natürlich nicht verborgen; während die Arianer von Sancta Maria Maiora zusammen mit Juden und sogar einzelnen Heiden beteten und am Ende der Gottesdienste Brot und Wein miteinander teilten, predigte Liberius in der Lateranbasilika immer haßerfüllter gegen die seiner Meinung nach ketzerischen Umtriebe des toleranten arianischen Presbyters und seiner Anhänger. Ins selbe Horn stießen die dem Papst unterstellten Erzpriester sowie die Pfarrherren verschiedener katholischer Kirchensprengel – und schließlich, am ersten Februarsonntag des neuen Jahres 361, gipfelte diese Hetze in einem Pogrom.
    An diesem Morgen hatten sich abermals Angehörige verschiedener Glaubensrichtungen in der Kirche Sancta Maria Maiora zusammengefunden. Rund dreihundert Menschen drängten sich unter dem Dach des Gotteshauses; am Altar standen heute neben dem Gemeindepriester zwei Konzelebranten: eine arianische Presbyterin, die aus der kleinen Stadt Capena nördlich von Rom stammte und zu Gast in der Metropole weilte, und ein junger Rabbiner. Abwechselnd erklangen christliche und jüdische Anrufungen des einen biblischen Gottes; die Frauen, Männer und Jugendlichen, die in den Bänken saßen, spürten, wie aus dieser sakralen Gemeinsamkeit Friede erwuchs.
    Plötzlich jedoch schreckten die Gläubigen auf, denn vom Vorplatz der Basilika drang unvermittelt wüstes Geschrei herein. Als ein Teil der Gottesdienstbesucher zum Portal hastete, sahen sie, daß sich draußen eine vielhundertköpfige Menschenmenge zusammengerottet hatte, die Beleidigungen brüllte. Akoluthen, die an ihren Gewändern als Angehörige des Patriarchats kenntlich waren, hatten den Pöbel offenbar hergeführt und stachelten ihn jetzt, da sich die Arianer unter der Kirchentür zeigten, noch weiter an. Im nächsten Moment flogen Steine und Kotbrocken gegen das Portal, die Angegriffenen flohen zurück ins Innere des Gotteshauses – wiederum einen Augenblick später kam der weißhaarige Presbyter von Sancta Maria Maiora ins Freie, breitete die Arme aus und rief der Horde entgegen: »Haltet ein, ihr Irregeleiteten! Denn Jesus lehrte nicht Haß, sondern Liebe!«
    »Du hast kein Recht, dich auf Christus zu berufen, du Ketzer!« schrie einer der Akoluthen.
    »Ein arianischer Hundsfott bist du, der die Göttlichkeit Christi leugnet!« geiferte ein anderer.
    »Außerdem machst du gemeinsame Sache mit den verfluchten Juden, welche die Schuld am Kreuzestod des Gottessohnes tragen!« grölte ein dritter – und schleuderte einen Pflasterstein in Richtung des Gemeindepriesters.
    Der betagte Presbyter versuchte auszuweichen, schaffte es jedoch nicht mehr. Das Wurfgeschoß traf ihn an der Schulter und ließ ihn gegen die Kirchenmauer taumeln – und bei diesem Anblick verlor der vom päpstlichen Klerus aufgehetzte Pöbel die letzten Hemmungen.
    Die Menge setzte zum Sturm auf die Basilika an; mit knapper Not gelang es einigen beherzten Arianern, ihren Priester in das Gotteshaus zu ziehen und das Portal zu schließen. Kaum war drinnen der Sperrbalken vorgelegt, donnerten heftige Schläge gegen das Holz, und im Rundfenster über der Kirchentür zersplitterte das Bleiglas. Immerhin hielt das schwere Portal stand, auch wenn es in seinen Angeln bebte. Die arianischen Christen und diejenigen, die mit ihnen gefangen waren, fanden Zeit, die Tür mit Bänken zu verrammeln; nachdem dies geschehen war, wichen die meisten angsterfüllt so weit wie möglich in Richtung des Altarraums zurück, knieten nieder und begannen zu beten.
    Auf dem Vorplatz der Basilika wiederum tobte der Pöbel jetzt ärger denn je. Von allen Seiten wurden Steine auf das Gotteshaus geschleudert; etliche Burschen drangen in eine Stellmacherei ein, die sich in einer Seitengasse befand, besorgten sich dort eine Wagendeichsel und benutzten sie als Rammbock, um das Portal auf diese Weise einzurennen. Nach einer Weile freilich zerbrach die Deichsel, und auch die Axthiebe, die anschließend die Türbalken erschütterten, richteten wenig aus.
    Dann jedoch rumpelte auf einmal ein Ochsenkarren auf den Platz, der mit langen Holzscheiten und Reisigbündeln beladen war. Einer der Akoluthen dirigierte das Gefährt dorthin, wo die zerbrochene Wagendeichsel lag; als die außer

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