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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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die Gläubigen an, alles greifbare Verbandszeug aus den umliegenden Häusern zu holen und ihr nach Sancta Maria Maiora zu folgen. Bei ihrem Eintreffen sahen sie, daß andere Helfer bereits dabei waren, die niedergemetzelten Menschen aus der Basilika herauszubringen. Silvia, die Presbyterin von Sancta Praxedis, die mit einer großen Schar ihrer Gemeindemitglieder vom Esquilin herübergekommen war, leitete die Bergung, an der sich nun auch Branwyn und die Christen vom rechten Tiberufer beteiligten.
    Nachdem sämtliche Opfer des Massakers auf dem Kirchenvorplatz niedergelegt worden waren, stellte sich heraus, welch ungeheure Schuld die Mordgesellen des Patriarchats auf sich geladen hatten. Es waren 162 Tote – darunter der Priester der arianischen Gemeinde, die Presbyterin aus Capena und der Rabbiner – zu beklagen; ungefähr noch einmal so viele Teilnehmer des ökumenischen Gottesdienstes hatten schwere, zumeist lebensgefährliche Verletzungen davongetragen.
    Branwyn, Silvia und die vielen übrigen Helfer bemühten sich nach Kräften, die Verwundeten zu versorgen. Sie stillten Blutungen, legten Verbände an, schienten gebrochene Glieder – und konnten trotzdem nicht verhindern, daß zahlreiche weitere Menschen starben. Stundenlang kämpften sie gegen den Tod; irgendwann, nachdem das Gröbste getan war und Branwyn sich taumelnd aufrichtete, blickte sie in die Augen einer älteren Frau und hörte sie mit bebender, aber entschlossener Stimme sagen: »Wir alle, denen an wahrem Christentum liegt, müssen etwas gegen das Patriarchat unternehmen! Wir dürfen nicht dulden, daß Papst Liberius noch einmal ein derartiges Verbrechen anzettelt!«

Die Intrige
    Wochenlang gab es in Rom kaum ein anderes Gesprächsthema als das Massaker in Sancta Maria Maiora, und sehr viele Bürger waren – ähnlich wie die betagte Frau, die sich auf dem Platz vor der geschändeten Basilika an Branwyn gewandt hatte – der Meinung, daß den kriminellen Umtrieben des Patriarchats unbedingt ein Riegel vorgeschoben werden müsse. Allerdings wußte niemand so recht zu sagen, wie dies angesichts der militärischen Macht und der schlagkräftigen Organisation, über die der skrupellose Papst verfügte, konkret geschehen sollte. Infolgedessen wurden letztlich lediglich Protestbriefe an Kaiser Konstantius in Konstantinopel und dessen designierten Nachfolger Flavius Claudius Julianus gesandt. Doch der Imperator war, wie die vom Bosporus kommenden Nachrichten besagten, hinfälliger denn je, und Julian stand in Gallien nach wie vor in hartem Abwehrkampf gegen die Franken, weshalb auch von ihm kein nachdrückliches persönliches Eingreifen erwartet werden konnte.
    Aus diesen Gründen blieben die Dinge vorerst in der Schwebe; Liberius, der die politische Situation offensichtlich von allem Anfang an eiskalt in sein mörderisches Kalkül einbezogen hatte, residierte weiterhin unangefochten im Lateranpalast. Mehr noch: Ende Februar holte er zum nächsten brutalen Schlag aus und versetzte dem ohnehin schon ins Mark getroffenen arianischen Kirchensprengel von Sancta Maria Maiora den Todesstoß.
    Wieder geschah es an einem Sonntag; diejenigen Gemeindemitglieder, welche sich am Tag des Gemetzels nicht in der Basilika aufgehalten und daher überlebt hatten, waren zu einer Trauerandacht für ihre hingeschlachteten Verwandten und Bekannten in der verwüsteten Kirche zusammengekommen. Ungefähr hundert Frauen und Männer knieten auf dem nackten Boden und beteten für die Seelen der Ermordeten – als plötzlich abermals eine starke Schar Bewaffneter in das Gotteshaus eindrang. Es handelte sich ausnahmslos um päpstliche Söldner, die bereits an dem Massaker beteiligt gewesen waren. Die Thraker eskortierten zwei Kleriker des Patriarchats; einer davon stand im Rang eines Erzpriesters, und während die vor Todesangst zitternden Gläubigen von den Kriegsknechten in Schach gehalten wurden, begaben sich die beiden katholischen Geistlichen zum Altar.
    Von dort aus verlangte der Erzpriester, daß die Kirchengemeinde auf der Stelle einen neuen Presbyter zu ihrem Oberhaupt wählen müsse. Einen geeigneten Seelsorger – er wies auf seinen Begleiter – habe er gleich vom Lateran mitgebracht, und wenn den Anwesenden ihr Leben lieb sei, sollten sie nicht zögern, für ihn zu stimmen.
    Den Gläubigen blieb nichts anderes übrig, als sich der Gewalt zu beugen. Der Willkürakt wurde durch eine Urkunde, welche der Erzpriester bereits vorbereitet hatte, besiegelt und der neue

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