Die Bischöfin von Rom
lautloses Lachen verzerrte die Züge des Notarius. »Fliehen?! Wie wolltest du das anstellen, du Närrin?! Aber selbst wenn es dir gelänge, würde es dir nichts nützen! Denn sobald du dich noch einmal in der Öffentlichkeit zeigtest, könnte das Patriarchat, das jetzt, wo Jovianus über das Imperium herrscht, so gut wie uneingeschränkte Macht in Rom und Italien besitzt, dich vor aller Augen verhaften lassen! Und dann würden wir dir den Prozeß machen: dich als Ketzerin und Götzenanbeterin anklagen, um dich danach als entlarvte Feindin Christi auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen! Ich selbst wäre der Hauptbelastungszeuge gegen dich! Ich könnte aussagen, wie du mich mit Hilfe deiner Hexenkünste an einem dem Teufel geweihten heidnischen Ort verführest! An jener Quelle mit den satanischen Steinsetzungen nahe der Aqua Traiana, wo du, die wenige Monate später zur Bischöfin gewählte Hure, dich mir erstmals hingabst …«
Urplötzlich wurde Branwyn von wildem Schluchzen geschüttelt. Teilnahmslos betrachtete der Notarius die abgemagerte Frau, deren Körper sich im Weinkrampf krümmte. Endlich faßte Branwyn sich soweit wieder, daß sie zu flüstern vermochte: »Ihr habt mir alle Wege verbaut … Habt alles zerstört, was ich zusammen mit den anderen schuf … Was habt ihr nun, da ihr mich zerbrochen habt, denn noch mit mir vor … du und dein Herr Liberius?!«
Acacius ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Mit unverhohlenem Sadismus genoß er ihre Furcht, ehe er, jedes Wort auskostend, erwiderte: »Du wirst in diesem Verlies sterben!«
»Wollt ihr mich etwa für den Rest meines Lebens hier in Ketten gefangenhalten?!« stöhnte Branwyn.
»Für den Rest deines armseligen Daseins – richtig!« entgegnete der Notarius. »Doch tröste dich! Es wird nicht mehr sehr lange währen, bis der Henker zu dir kommt! Gar nicht mehr lange! Vielleicht schon diese Nacht! Vielleicht morgen oder in einer Woche! Vielleicht erst in einem Monat!«
Branwyn begriff. Es genügte dem Patriarchat nicht, sie zu ermorden; sie sollte zudem, ehe sie starb, durch grausame seelische Folter an den Rand des Wahnsinns getrieben werden.
»Warum?!« ächzte sie. »Warum haßt ihr mich so sehr?!«
»Kannst du es dir nicht vorstellen?« fauchte Acacius sie an. »Wirklich nicht?!«
»Ist es … weil ich eine Frau bin?!« Branwyns erstickte Stimme war kaum zu vernehmen. »Weil ich als Presbyterin und Episcopa den weiblichen Weg ging, statt …«
»Genau deshalb!« schnitt er ihr das Wort ab. »Du, ein minderwertiges Weibsstück, hast es gewagt, dem Patriarchat in die Quere zu kommen! Durch dein Gesäusel von Humanität, Nächstenliebe und Barmherzigkeit verführtest du den Pöbel und fügtest uns enormen Schaden zu! All dein Streben galt dem Abschaum; den Schwachen und Wertlosen, die nichts als Verachtung verdienen!« Sein Tonfall wurde schrill, Speichel sprühte von seinen Lippen. »Dadurch hast du – ein dummes und minderwertiges Wesen, dessen Urmutter Eva von Gott lediglich aus der Rippe Adams, des Mannes, geschnitten wurde – die Macht des Patriarchats bedroht! Von dir – einer Nachfahrin jener anderen, die mit der Schlange im Bunde war – ging die Gefahr aus, daß Frauen widernatürlichen und sündhaften Einfluß auf die Kirche bekämen! Das ist der Grund, warum du erbarmungslos ausgetilgt werden mußt!«
Branwyn wandte den Kopf ab und schloß die Augen. Es war ihr unmöglich, den Anblick des Notarius, der zum Opfer abgründiger Zwangsvorstellungen geworden war, länger zu ertragen. Jetzt hörte sie, wie er scharf die Luft einsog; für einen Moment fürchtete die Angekettete, ihr Feind würde über sie herfallen. Aber dann entfernten sich seine Schritte, mit hartem Geräusch fiel die Kerkerpforte zu; neuerlich umgab undurchdringliche Finsternis die Gefangene, und bald huschten die Ratten aus ihren Verstecken.
***
Alles was ich aufbaute, wird zerstört werden! Der Weiße Drache wird triumphieren und das wahre Christentum vernichten! Unsägliches Unheil wird über die Menschheit hereinbrechen, weil ich versagte! Weil ich nicht imstande war, die Aufgabe, die mir in Avalon übertragen wurde, zu erfüllen!
Endlos räderten diese Gedanken durch Branwyns Gehirn. Tagelang quälte sie sich mit Vorwürfen; gab sich in ihrer Verzweiflung Schuld, wo keine Schuld war. Nur wenn ihr Denken aussetzte, wenn sie in Erschöpfungsschlaf fiel, fand sie, sofern nicht Alpträume sie peinigten, vorübergehende Erlösung. Doch stets schreckte sie
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