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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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zusammen dort standen, erlebte ich die Berührung um so inniger …«
    Branwyn erkannte den sehnsüchtigen Ausdruck in seinen Augen; nicht zum erstenmal spürte sie, daß seine Gefühle ihr gegenüber weit über bloße Freundschaft hinausgingen. Für einen Moment fühlte sie sich tief bewegt von dem, was unausgesprochen zwischen ihnen hing; mit dem nächsten Lidschlag jedoch glaubte sie das Antlitz Dafydds vor sich zu sehen, und jäh preßten sich ihre Lippen aufeinander.
    Eolo wiederum, der ihre winzige Verstimmung sofort bemerkte, wandte den Blick nach Nordwesten, von wo eine graue Wolkenbank herantrieb, und entspannte die Situation durch die unverfängliche Äußerung: »Es war sehr schön hier oben, doch jetzt sollten wir wohl besser wieder zu Tal steigen, denn es wird allmählich arg windig.«
    »Du hast recht«, antwortete die junge Frau erleichtert; beinahe war sie versucht, ihn dankbar zu umarmen.
    Dann, nachdem sie das Ruinenfeld zum Abschied noch einmal umrundet hatten, kletterten sie über die Gipfelflanke des Cadair Idris zurück zu dem kaum sichtbaren Pfad, der sich entlang der Schulter des Bergmassivs weiter nach Süden zog.
    ***
    Drei Tage später gelangten sie an der Mündung des Flusses Dyfi in den gleichnamigen Fjord abermals zu einem Dorf und ließen sich übersetzen. Am jenseitigen Ufer erklärte der Fährmann ihnen, daß sie nun die Grenze zwischen den beiden großen kimmerischen Landesteilen Gwynedd und Dyfed überschritten hatten – und was das konkret bedeutete, stellten Branwyn und ihr Begleiter bereits am übernächsten Vormittag fest.
    Während ihrer wochenlangen Wanderung vom Eryri Gwyn bis hierher waren sie ausschließlich Kelten begegnet, aber jetzt, im langgestreckten Tal von Llyfnant, stießen sie erstmals auf Römer. Es handelte sich um einen starken Trupp von etwa hundert berittenen Legionären; die Sonne blitzte auf ihren Helmen und Kettenpanzern, jeder der Soldaten trug Schwert und Lanze. An der Spitze trabten ein leichter bewaffneter Standartenträger, der einen Wolfsbalg mit aufgesperrtem Rachen über Kopf und Schultern gezogen hatte, sowie auf einem großen Fliegenschimmel ein Offizier in versilbertem Brustharnisch.
    Da die junge Frau und der Barde die Reiter rechtzeitig erspähten und sich selbst gerade bei einer Quelle zwischen einigen Felsen abseits des Weges aufhielten, wo sie sich rasch verstecken konnten, wurden sie nicht entdeckt. Aus dem Schutz der Schroffen heraus beobachteten sie, wie die Legionäre sich bis auf die Distanz eines Pfeilschusses näherten und vorüberzogen. Als der Hufschlag verklang, löste Eolo Goch die Faust vom Schwertgriff, den er die ganze Zeit umklammert hatte, und erklärte mit gepreßter Stimme: »Sie kommen von einer der Garnisonen weiter im Landesinneren. Wahrscheinlich sind die Dörfer, die entlang des Dyfi-Fjords liegen, ihr Ziel. Deren Bewohner haben vermutlich versäumt, die Steuern zu entrichten, die ihnen von den Römern aufgezwungen werden, und nun wird man sie bitter dafür büßen lassen!«
    Branwyn, die ohnehin schon verstört wirkte, wurde kreidebleich. »Du meinst, die Soldaten sind ausgesandt worden, um die Siedlungen anzugreifen?!«
    »Sie werden die Kornspeicher plündern und das Vieh von den Weiden treiben«, erwiderte der Barde grimmig. »Danach brennen sie die Häuser nieder, und jeder, der Widerstand zu leisten versucht, wird hingemordet!«
    »Dann sind diese Legionäre ebensolche Barbaren wie die Piraten, welche die Ynys Vytrin überfielen!« stieß die junge Frau außer sich hervor.
    »Kreaturen des Weißen Drachen!« knirschte Eolo. »Aber der Tag ist nicht mehr fern, da der Zorn der Götter und der Mut keltischer Krieger sie aus Britannien vertreiben! – Doch jetzt komm weiter! Wir haben heute noch eine weite Strecke zu gehen, ehe wir die Seen von Llyfnant erreichen.«
    Die drei stillen Gewässer säumten den Ausgang des langgestreckten Tales; wie verwunschen lagen sie inmitten eines von Rippen aus Schiefergestein durchzogenen Hochmoores, dessen Vegetation zu dieser Jahreszeit in voller Blüte stand. Branwyn und der Barde übernachteten am südlichsten See; am nächsten Morgen machten sie sich an den Aufstieg zu den Hängen des Plynlimon und gelangten jenseits des Bergmassivs an den Fluß Gwy, der hier, nahe seiner Quellen, noch schmal war.
    Unentwegt folgten die beiden Wanderer nun dem allmählich breiter werdenden Strom nach Südosten. Gelegentlich fanden sie Unterkunft in einer Siedlung der Ordoviker, welche

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