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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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den Abstieg von der Düne.
    Kurz vor Einbruch der Abenddämmerung erreichten sie den Severn ein Stück oberhalb der Stelle, wo er in den Fjord mündete. Im Nordosten, höchstens noch eine Wegstunde entfernt, konnten sie die vom blutroten Schein der sinkenden Sonne übergossenen Mauern und Türme Glevums erkennen. Sie lagerten und beratschlagten, wie sie den Stromübergang bewerkstelligen sollten. Schließlich entschieden sie, die Stadt und die ohne Zweifel von Legionären bewachte Brücke dort zu vermeiden und statt dessen ein Floß zu bauen.
    Mit dem ersten Tageslicht gingen sie an die Arbeit. Der Barde benutzte sein Schwert, um in den Flußauen ein Dutzend junger Bäume zu fällen; die junge Frau sammelte währenddessen abgestorbenes Astwerk und zähe Schlingpflanzen. In der Mitte des Vormittags banden sie die armdicken Stämme aneinander und schnürten zusätzlich eine dicke Lage von Reisigbündeln darauf fest, auf denen sie während der Überfahrt würden kauern können. Nachdem sie ihr einfaches Wasserfahrzeug vom Ufer abgestoßen hatten, stellte sich heraus, daß die Konstruktion sich bestens bewährte; die Wellen erreichten sie nicht, zudem ließ sich das Floß mit Hilfe der beiden grob geschnitzten Paddel einigermaßen steuern.
    Sie gewannen die Mitte des Severn; Eolo wies auf eine Landmarke am gegenüberliegenden Gestade und bedeutete seiner Gefährtin, schräg zur Strömung darauf zuzuhalten. Branwyn veränderte ihre Stellung, damit sie das Ruder kräftiger durchzuziehen vermochte – dabei fiel ihr Blick auf die Galeere, die im selben Moment ein Stück weiter oben um eine Flußbiegung kam.
    Sie schrie auf; einen Lidschlag später gewahrte auch der Barde das römische Kriegsschiff. In voller Fahrt und mit Kollisionskurs schoß es auf sie zu; die Riemen, mehr als zwanzig an jeder Seite, peitschten das Wasser im Rhythmus dumpfer Trommelschläge, die der Wind herantrug. Eolo und die junge Frau begannen aus Leibeskräften zu paddeln; schon sah es so aus, als könnten sie einen Zusammenstoß gerade noch vermeiden – als die Galeere, die jetzt höchstens noch einen Steinwurf entfernt war, unvermittelt den Kurs änderte und sich zwischen das Floß und das Ufer setzte. Und dann weiteten sich Branwyns Augen vor unsäglichem Entsetzen – denn plötzlich standen Bogenschützen an der Reling des Kriegsschiffes und schnellten ihre Geschosse ab.
    Ein Pfeil schlitzte das Kleid der jungen Frau am Oberschenkel auf, andere schlugen hart neben ihr ins Reisig; im selben Moment warf Eolo sich über sie und riß sie ins Wasser. Ein gurgelnder Strudel saugte beide in die Tiefe; schmerzhaft spürte Branwyn den Griff des Barden an ihrem Arm und geriet beinahe in Panik, als sie merkte, daß er sie mit aller Kraft weiter nach unten zerrte. Gleich darauf aber verstand sie Eolos Absicht und unterstützte seine heftigen Schwimmbewegungen – bis sie hart über dem Grund das Zentrum des mächtigen Wasserwirbels erreichten und ausgestoßen wurden. Weitab von der Galeere, die sich jetzt schon ein gutes Stück stromab befand, schossen sie an die Oberfläche; sie rangen nach Luft und begannen gegen die Strömung zu kämpfen, die sie zurück zur Flußmitte tragen wollte. Als sie, jetzt in einigem Abstand voneinander, endlich in Ufernähe gelangten, nach überhängenden Weidenzweigen griffen und sich an Land zogen, keuchten sie vor Erschöpfung.
    Zitternd brach die junge Frau in die Knie; der Barde taumelte heran, sank neben ihr nieder und zog sie in seine Arme. Sie preßte sich an ihn, barg das Gesicht in seiner Halsgrube; mit dem nächsten Atemzug erlitt sie einen Weinkrampf.
    Eolo hielt sie fest, streichelte ihr Haar, ihren Nacken, ihre Schultern und bemühte sich so, sie zu beruhigen. Während er es tat, drängte ihn alles dazu, ihren bebenden Leib unter seinem zu bergen: sie zu wärmen, zu behüten, die innigste Nähe zu suchen – und sie auch körperlich zu lieben.
    Mit äußerster Willensanstrengung beherrschte er sich; schließlich, nachdem Branwyns Schluchzen sich gelegt hatte, stieß er rauh hervor: »Zwei wehrlose Kelten auf einem gebrechlichen Floß, das mußte die Bösartigkeit der Römer ja geradezu herausfordern! Doch wir sind noch einmal davongekommen, konnten unser Leben und außerdem unser Gepäck retten!«
    Erst jetzt wurde Branwyn sich bewußt, daß sie, ebenso wie der Barde, noch immer ihren Lederpacken auf dem Rücken trug. Unmittelbar darauf erinnerte sie sich an den Pfeil, der ihr Kleid zerfetzt hatte. Sie

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